SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
dachte, sie ist bei dieser Klara. Auf jeden Fall ist sie mit dem Fahrrad weggefahren.“
Dickmann, der von Beziehungsdramen an Feiertagen sowieso die Nase voll hatte, hatte ein komisches Gefühl. Als Frank Habichthorst auf seinen Anruf nicht reagierte, nahm er sich widerwillig vor, mal in dieser Scheune vorbeizuschauen. Aber er wollte nicht allein dorthin und rief bei Ulf an. Wie immer, wenn er keine Bereitschaft hatte, ging er nicht an sein Telefon. So ein Mist! Vielleicht war Hetzer noch in Bückeburg und konnte mitkommen.
„Ich bin schon in Kleinenbremen“, sagte Wolf auf Nachfrage, „ist aber kein Problem, ich drehe eben um.“
„Danke!“, sagte Bernhard und erklärte kurz die Sachlage. „Ich habe so ein komisches Gefühl, vielleicht täusche ich mich auch.“
„Meistens haben wir ja recht, Bernhard. Glaubst du, dass Rieke Sternhagen etwas zugestoßen ist?“
„Ich halte das auf jeden Fall für sehr wahrscheinlich. Der Sohn sagte, sie sei mit dem Fahrrad weggefahren, aber sie scheint nirgendwo angekommen zu sein.“
„Gut, ich bin gleich da. Treffen wir uns dort?“
„Ja“, sagte Bernhard.
Keiner von beiden ahnte auch nur im Entferntesten, was sie dort erwarten würde.
Felix
Das schlechte Gewissen ließ ihm keine Ruhe. Felix verließ das Haus durch die Terrassentür und ging geduckt in Richtung Scheune. Er spähte durch eines der Fenster und verlor bei dem, was er da sah, sämtliche Farbe aus seinem Gesicht. Das konnte doch nicht sein! Als sie Frank zurückgelassen hatten, hatte er auf der Bank gesessen. Jetzt hing er in der Luft, beide Arme nach oben gestreckt. Keine Regung ging von ihm aus. Die Szene hatte etwas Geisterhaftes an sich. Franks Gesichtsfarbe glich der einer alten Wachskerze.
Felix wurde übel, als sich der Körper, wohl durch den Windzug der geöffneten Fenster, bewegte. Erst da sah er, dass Hunderte von Fliegen aufstoben, die durch die Bewegung des von ihnen eroberten Leibes bei der Eiablage gestört wurden.
Das war zu viel für den Heranwachsenden, der zwar Blut und Tod in seinen Computerspielen gewohnt war, aber die grausige Tatsache einer echten Leiche nicht verkraften konnte. Er floh ins Haus zu seinen virtuellen Opfern.
Luise
Erleichterung erfasste Luise, als der Flieger in Richtung Mallorca abhob. Sie war weg, endlich in Sicherheit. In ihrer Handtasche lagen knapp fünftausend Euro. Das sollte fürs Erste reichen.
Sie freute sich auf die Strände, auf den Trubel, die Diskos, das gute Essen. Vielleicht würde sie auch Dieter Bohlen sehen. Auf jeden Fall hatte sie sich vorgenommen, sich einen reichen Knacker zu schnappen. Das musste sie unbedingt schaffen, bevor ihr das Geld ausging.
Doch Luise hatte sich verrechnet. Schon am Flughafen in Palma wurde sie von uniformierten Beamten in Empfang genommen, und ihre Träume zerplatzten unter der Sommersonne der Baleareninsel.
Wolf und Bernhard
Bernhard war zuerst am Haus der Sternhagens und klingelte, aber niemand öffnete. Felix war längst wieder unter seinen Kopfhörern verschwunden.
Da kam Wolf auf den Hof gefahren. Er stieg aus und begrüßte seinen Kollegen aus Bückeburg.
„Lass uns mal gleich zur Scheune rübergehen“, schlug Bernhard vor. „Hier im Haus macht keiner auf.“
An der Eingangstür der Einliegerwohnung klingelten sie. Dann klopften sie. Keine Reaktion.
„Sollen wir mal durchs Fenster schauen?“, fragte Wolf. „Vielleicht können wir da was sehen.“
Bernhard nickte und ging um die Hausecke. Wolf folgte ihm.
So hatten sie beinahe gleichzeitig denselben unangenehmen Anblick vor Augen. An Franks Ableben bestand kein Zweifel.
„Puh!“, sagte Wolf. „Die Fliegen sind immer vor uns da. Sie kriegen eher Wind von einer Leiche. Ich rufe sofort Seppi an. Die brauchen erst gar nicht nach Stadthagen rüberzufahren.“
„Na, die werden sich echt bedanken. So ein tolles Osterfest, super Feiertage, immens viel Freizeit. Erst die Leiche in der Stadtkirche, dann der Abgestochene im Hause Winterstein, jetzt der hier …“, sagte Bernhard kopfschüttelnd.
„Und wo diese Rieke Sternhagen abgeblieben ist, wissen wir immer noch nicht. Frank Habichthorst kann es uns nicht mehr sagen.“ Wolf runzelte die Stirn.
„Ja, das ist blöd. Wir sollten eine Fahndung veranlassen. Sicher ist sicher! Wenn ich nur wüsste, wo der Sohn ist. Ich habe eben noch mit ihm telefoniert“, sagte Bernhard.
„Warten wir hier, bis die SpuSi kommt?“
„Ja, das ist besser. Habichthorst ist sowieso nicht mehr zu
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