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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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musste ganz allein zusehen,
     wie sie ihren Grundsätzen und ihrem Glauben treu blieb – und an allen Ecken und Enden scheiterte. Den gesamten Sommer über
     bis in den Herbst hinein hatte sie mit allen Mitteln versucht, ihre Familie auf den Pfad der Normalität zurückzuführen: Sie
     hatte Praxi nach Hause gescheucht, wann immer ihre Ausflüge zu Dhespina über die übliche Länge eines Nachbarschaftsbesuches
     hinausgingen, und sie hatte ihre Enkelin dazu angetrieben, lieber mit Lenyas Tochterzu spielen statt bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Hof der Türken zu laufen. Doch Niki war ein rastloses Kind, ununterbrochen
     war sie in Bewegung, und Elpida hatte weder die Geduld noch die Kondition für solch eine Freundschaft. Als Elena mit Praxi
     über ihre Bedenken sprechen wollte, tat diese die unsittlichen Gefühle der Kleinen schlicht als »kindliche Schwärmerei« ab.
    »Und was ist mit dir?«, fragte Elena.
    »Mit mir, Mamma? Ich habe genug geschwärmt, und jetzt warte ich darauf, dass sich mein Schicksal erfüllt.«
    Für Elena gab es keinen Zweifel, dass ihre Familie den bösen Blick auf sich gezogen hatte und seither ein Fluch auf ihr lastete.
    Um ihm entgegenzuwirken, reinigte sie ihr Haus inzwischen täglich, indem sie mit schwelenden Olivenblättern von einem Zimmer
     zum anderen lief. Und wenn Elpida ihr den Teufel persönlich ins Haus schleppte, streute sie Salz auf seinen Stuhl, um zu verhindern,
     dass er wiederkam. Ihr entging zwar nicht, dass Loukis wenigstens den Anstand besaß, einen entschuldigenden Blick aufzusetzen,
     wann immer er über ihre Schwelle trat; doch ein beschämtes Lächeln reichte bei weitem nicht aus, um den Untergang ihrer Familie
     abzuwenden. Elena wusste einfach nicht mehr weiter. Es war gar nicht so lange her, da hatte sie geglaubt, ihr Haus sei eine
     Burg – eine uneinnehmbare Festung, in der sie alle sicher seien. Im Laufe der vergangenen Jahre aber war es zunehmend zu ihrem
     Konstantinopel geworden: Hatte es nicht geheißen, die große Stadt würde erst fallen, wenn die Schiffe über Land segelten?
     Tausend Jahre später errichteten die Osmanen eine Schiffstransportstraße vom Bosporus zum Goldenen Horn und zogen ihre gesamte
     Flotte tatsächlich über Land, während Konstantinopel nur entsetzt zusehen konnte.
    Elena spuckte sich selbst an, um das böse Omen ihrer Gedanken abzuwehren. In diesem Moment kam Yiannis ins Zimmer und blickte
     sich mit gespieltem Erstaunen um.
    »Du hast ganze Arbeit geleistet, Elena!« Anerkennend klatschte er in die Hände.
    Elena lief rot an. Sie war überzeugt, dass ihr Schwiegersohn, wenn er auch sonst nicht viel zustande brachte, in der Lage
     war, ihre Gedanken zu lesen. Sie spülte den Lappen aus und hängte ihn zum Trocknen auf.
    »Ich fahre dich zurück ins Dorf. Ich habe ein Geschenk für dich, und es ist ziemlich schwer«, sagte er, verschwand und ließ
     eine besorgte Elena zurück, die schon wieder mit dem Schlimmsten rechnete – nicht einmal zu Weihnachten war Yiannis ihr gegenüber
     derart aufmerksam gewesen.
    Im Auto saß Elpida auf den Knien ihres Vater und tat so, als würde sie fahren. Als sie vor Elenas Haus zum Stehen kamen, forderte
     sie ungeduldig, dass sie das Paket auspackten, das Yiannis mitgebracht hatte. Darin war ein Fernseher. Keinen überraschte
     das Geschenk mehr – oder machte es misstrauischer – als Elena selbst. Als sie endlich ein Bild gefunden hatten, war die Wintersonne
     bereits untergegangen, und Praxi trommelte unverhohlen gelangweilt mit den Fingern auf den Tisch.
    Yiannis hatte seine Frau seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, und als sie sich gegenüberstanden, wusste er zunächst nicht,
     ob er sie küssen oder ihr die Hand geben sollte. Am Ende tat er weder das eine noch das andere, denn beides erschien ihm unangemessen.
     Er hatte seine Besuche im Dorf eingestellt, kurz nachdem er das erste Mal mit Victor geschlafen hatte, da er sicher war, Praxi
     würde die Sünde riechen können, die er begangen hatte. Und als sie nicht dagegen protestierte, ließ er es zu, dass sie sich
     weiter auseinanderlebten, bis ihr Kontakt schließlich nur noch über ihre Tochter oder Schwiegermutter lief. Es interessierte
     ihn natürlich, was seine Frau in der Zwischenzeit getrieben hatte, denn es waren keine Gerüchte aus dem Dorf zu ihm durchgedrungen.
     Einmal war er allerdings von Frau Televantos in der Post bedrängt worden, die ihn für das große Opfer lobte, das er gebracht
     hatte, um

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