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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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ein Haar wäre ich zum Mädchen geworden«, erinnerte sich Savvas. Unwillkürlich griff er sich in den Schritt, um zu prüfen,
     ob noch alles da war.
    »Vielleicht war es ja gar kein Unfall«, überlegte Michalakis. »Wir wissen doch alle, wie Grivas zu den Kommunisten steht.«
    »Ich sage dir, wir leben in gefährlichen Zeiten, und da sind die Eier von ein paar wenigen tapferen Männer alles, was unser
     Volk noch von der Sklaverei trennt«, scherzte Savvas. »Die Griechen höhlen die Republik von innen aus, und wir, mein Lieber,
     befinden uns gegenwärtig im Herzen dieses faschistischen Apparats.«
    Es überraschte Michalakis nur wenig, als er eines Tages Yiannis unter den Kameraden entdeckte – immerhin waren sie als Kinder
     in die gleiche Klasse gegangen. Aus Loyalität Loukis gegenüber und auch, weil er sich unbehaglich in seiner Gesellschaft fühlte,
     mied Michalakis Yiannis so gut es ging. Bisweilen regte sich allerdings sein schlechtes Gewissen dem ehemaligen Schulfreund
     gegenüber. Von dem Geschwätz in der Kaserne wusste Michalakis, dass Yiannis seine freien Abende in derStadt verbrachte, anstatt nach Hause zu fahren – wie einsam musste dieser Mann sein? Ein besserer Mensch hätte ihm die Hand
     gereicht.
    Jeden Mittwoch durften die Soldaten die Kaserne verlassen, um ihre Liebsten zu besuchen und ihren Sold zu verprassen – ganze
     drei Zypern-Pfund. Diejenigen, die von weiter her kamen, lebten für die Sonnabende, an denen sie Ausgang bis zum nächsten
     Morgen hatten. Es machte ihnen die übrigen Tage erträglicher.
    Da Maria nur eine Busfahrt von ihm entfernt wohnte, fuhr Michalakis zwei Mal in der Woche zu ihr. Und nachdem er einmal bemerkt
     hatte, wie sich ihre Augen beim Anblick seiner Uniform weiteten, stellte er stets sicher, dass er bei seinen Besuchen tadellos
     gekleidet war. Wäre er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen, hätte er diese kurzfristige Anziehungskraft durchschaut
     – und vielleicht sogar ausgenutzt. Doch damals war er noch töricht genug, Begierde mit Liebe zu verwechseln. Trotz seiner
     herablassenden Haltung war Michalakis den anderen Soldaten in seinem Schlafsaal gar nicht so unähnlich.
    Ihm gefiel die Ausbildung überraschend gut. Er hatte das Glück, ein ungewöhnlich zuverlässiges Martini-Henry-Gewehr zu besitzen,
     und außerdem formten die endlosen Runden um den Platz und die Liegestütze seine Muskeln an Armen und Oberschenkeln. Insgeheim
     hoffte er, dass Maria die Veränderungen unter seiner Uniform bemerkte.
    Bereits in den ersten Wochen seiner Ausbildung durfte Michalakis Grivas in Aktion erleben. Es war ein extrem heißer Tag, und
     die Gerüchte vom Besuch des Generals verbreiteten sich wie ein Lauffeuer im Lager.
    Seine Ankunft glich der eines Rockstars: Umringt von Leibwächtern trat er vor die neuen Rekruten und sprach mit so durchdringender
     Stimme, wie man sie einem Mann seiner schmächtigen Statur nicht zugetraut hätte. Er war inzwischen um die sechzig, und seine
     schwarzen Barthaare waren bereitsergraut; doch seine Worte hatten nichts von ihrer legendären Kraft eingebüßt. Als er erklärte, die Soldaten würden die Türken
     ins Meer stoßen, brach die Menge in Jubel aus. Neben Michalakis bemerkte Savvas trocken, dass die Türken sich da wahrscheinlich
     hinten anstellen müssten, denn zuerst seien wohl die Kommunisten dran. Als der Spuk nach vierzig Minuten vorbei war, eilten
     die Männer, erlöst vom Strammstehen, in die Kantine, wo Michalakis einen Wurm in seinem Eintopf fand.
    Das Hauptnahrungsmittel der Soldaten bestand in antitürkischen Parolen. Der »Feind« befand sich nur sechzig Kilometer nördlich
     von Zypern entfernt, und seine »Schläferzellen« lauerten in den Enklaven, von denen es auf der Insel wimmelte. Jeden Tag wurde
     ihnen das zehn Minuten lang eingebläut. Der Stolz Griechenlands stand auf dem Spiel, das Schicksal Zyperns war in Gefahr,
     und alles, was noch zwischen der Sicherheit ihrer Familien und der Unschuld ihrer jungen Frauen stand, waren sie, die Soldaten.
     Für Verhandlungen war es zu spät, denn wer nicht ihrer Meinung war, verriet die Insel. Die Türken mussten besiegt werden,
     da sie nicht Teil der Großen Idee waren, und ihre Herren in Ankara würden mit ihrem Leben bezahlen, sollten sie die Verwirklichung
     des großen hellenischen Traums zu verhindern versuchen. Michalakis und Savvas war klar, dass sich hier alle etwas vormachten.
     Fünf Mal hatte die Türkei damit gedroht,

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