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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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hatte er ihm geraten. »Und wenn du dort bist, widersprich
     niemandem, aber sei trotzdem kein Feigling, rede nicht über Politik, aber verhalte dich patriotisch. Und das Wichtigste: Sorg
     unbedingt dafür, dass du ein oberes Bett ergatterst – du wirst überrascht sein, wie viele Männer vergessen aufzuwachen, wenn
     sie nachts pinkeln müssen.«
    Es waren gute Ratschläge. Der Grad der Dummheit beim Militär war verblüffend, die Haarschnitte, die einem dort verpasst wurden,
     waren scheußlich und die Kasernen überfüllt. Fünfzig Männer teilten sich einen Raum und schliefen zu dritt übereinander. Michalakis
     hatte sich seit seinem Umzug in die Hauptstadt sehr an Platz und Freiräume gewöhnt, so sehr, dass er, obwohl er den Großteil
     seines Lebens von vier Brüdern umringt gewesen war, beinahe vergessen hatte, was es hieß, wenn sein Nebenmann unter Blähungen
     litt.
    Nachdem ihr Geburtsjahr im Radio und Fernsehen aufgerufen worden war, hatten die neuen Rekruten zehn Tage Zeit gehabt, um
     sich im alten britischen Militärkrankenhaus einzufinden. Michalakis war auf hundertachtzig gewesen, nicht zuletzt, weil Kyriakos
     in ihrem letzten Gespräch angedeutet hatte, dass der in Bedrängnis geratene Erzbischof kurz davor stand, einem Interview mit
     seiner Zeitung zuzustimmen. Es wäre fraglos der Höhepunkt in Michalakis’ Karriere gewesen, und nun das. Tatsächlich war das
     einzig Positive an seiner Einberufung, dassMaria plötzlich ein gesteigertes Interesse an ihm zeigte. Obwohl sie sich im Laufe der Zeit angenähert hatten und ihre Lippen
     einander nicht mehr fremd waren, hatte sie die Tür zu mehr stets verschlossen gehalten. Erst nachdem Michalakis verkündet
     hatte, dass er zum Militär müsse, verspürte er ein ungewohntes Drängen in ihren Küssen. Er verstand die Welt nicht mehr, zugleich
     wusste er, was es zu tun galt: Sobald er seine Wehrpflicht erfüllt hätte, wollte er um ihre Hand anhalten, und er war sich
     sicher, dass sie seinen Antrag annehmen würde.
    Doch es sollten achtzehn Monate vergehen, bis Michalakis seinen Dienst fürs Vaterland abgeleistet hatte. Die erste Nacht in
     der Kaserne verbrachte er inmitten einer Horde schnarchender, stöhnender, ja sogar schreiender Männer. Er konnte Christakis
     regelrecht lachen hören über seine mädchenhafte Empfindlichkeit. Entnervt zog sich Michalakis die kratzige Decke über den
     Kopf und versuchte zu schlafen – wie ein Mann.
    Als der nächste Tag anbrach, hatte sich Michalakis damit abgefunden, dass sein Leben nun nicht mehr ihm gehörte. Aus den Gesprächen,
     die er mitanhörte, schloss er beruhigt, dass keiner seiner Mitstreiter sonderlich begeistert war, seine patriotische Pflicht
     zu erfüllen, mit Ausnahme von ein paar besonders eifrigen Hellenen. »Cheerleader für den Imperialismus«, murmelte Savvas im
     Hochbett neben ihm, und Michalakis lächelte zustimmend.
    Savvas war ein Gewerkschafter aus Pafos. Er war zugleich Arbeiter und Intellektueller, besaß einen trockenen Humor und einen
     Pack Spielkarten, und bei ihren regelmäßigen Partien
pilotta
freundeten die beiden Männer sich an. Er stammte aus einer Familie berühmter Kommunisten, sein Großvater hatte im spanischen
     Bürgerkrieg gekämpft, sein Vater war von EOKA-Anhängern mit einer Pistole verprügelt worden, und Savvas war in ihre ideologischen
     Fußstapfen getreten: Er war aktives Mitglied der kommunistischen AKEL, der Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes.
    »Ich bin das schwarze Schaf der Familie«, verriet er Michalakiseines Abends beim Kartenspielen. »Ich bin für die gute Sache bislang weder erschossen noch verprügelt worden.«
    »Jetzt gräm dich mal nicht«, gab Michalakis zurück. »Früher oder später wird es schon dazu kommen. Immerhin bist du jetzt
     beim Militär: Sollte dich der Feind nicht erwischen, dann tut’s mit Sicherheit der Gruppenführer.«
    »Das ist nicht lustig«, erwiderte Savvas grimmig. Ein paar Tage zuvor hatten die Rekruten nach einer dreitägigen Übung in
     den Wäldern von Troodos ihre Zelte abgebaut, die Latrinen abgedeckt und sich erschöpft auf die Ladefläche eines der vier Lastwagen
     gehievt, als zum Schluss noch der Gruppenführer an Bord sprang. In seinem Halfter steckte eine Leuchtpistole, und kaum hatten
     sich der Konvoi auf dem unebenen Gelände in Bewegung gesetzt, war das Ding losgegangen. Wie eine Rakete jagte das Geschoss
     durch den Boden des Lastwagens, genau zwischen Savvas Beinen hindurch.
    »Um

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