Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
Vom Netzwerk:
aufgegeben. Irgendwie war
     es ihnen gelungen, sich aus den Klauen ihrer Widersacher zu befreien, und nun lebten sie wieder beide im Dorf. Bestimmt würde
     ihnen noch mehr Gutes widerfahren, dafür würden Gott und die Insel schon sorgen. Sie waren Kinder Gottes, und sie waren Zypern;
     sie waren Regen und Sonnenschein, rauer Wind und sanfte Brise, alles und nichts, und beflügelt von den Kräften der Natur hüpfte
     und sprang Praxi mit zwei toten Hasen unter dem Arm zurück zum Haus ihrer Mutter. Der Metzger hatte ihr ein kleines Vermögen
     für die beiden Tiere abgeknöpft, doch da sie Loukis’ Hände an den leblosen Körpern spüren konnte, hätte sie wohl jeden Preis
     bezahlt, so sehr verzehrte sie sich nach seiner Berührung.
    Als sie zu Hause ankam, war auch Elpida von ihrem Nachmittag bei Yiannis zurück. Praxi kam durch die Tür geschwebt, und Elena
     warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, den ihre Tochter pflichtgemäß ignorierte. Sie tänzelte auf Elpida zu, die gerade den
     Tisch deckte und von einer Hochzeit schwärmte, die sie in Keryneia gesehen hatte.
    »Die Ehe wurde von der
proxenitra
arrangiert, und die beiden haben gut zusammengepasst, stimmt’s,
yiayia ?«
    Elena nickte und lächelte zustimmend, dann befreite sie Praxi von den toten Hasen.
    »Und wie viele Leute da waren!«, rief Elpida. »Es war wie im Märchen.
Yiayia
hat mir erzählt, dass es vor der großen Feier am Hochzeitstag viele kleine Feste gibt, zum Beispiel diese Bettgeschichte:
     Da beziehen die Frauen das Bett des Brautpaares und singen und tanzen dabei. Und dann legt die Familie Geld und einen kleinen
     Jungen auf das Bett. Ich weiß zwar nicht, warum sie das machen, aber sie nennen es Tradition.«
    Elena und Praxi warfen sich einen vergnügten Blick zu. Sie wussten beide nur zu gut, was es mit dem Fruchtbarkeitsritual auf
     sich hatte.
    »Jedenfalls war die Braut wunderschön, so schön wie ein Engel, und erst ihr weißes Kleid! Und wenn sie nach Hause kommt, dann
     nimmt sie ihr Bettlaken und hängt es aus dem Fenster – wahrscheinlich, um allen zu zeigen, dass sie so viel Spaß auf ihrer
     Hochzeit hatte, dass sie kein Auge zugekriegt hat.«
    Nun konnten Elena und Praxi nicht mehr länger an sich halten und brachen in Gelächter aus.
    »Was ist denn? Was ist so lustig?«
    Praxi sah die Verwirrung in den Augen ihrer Tochter, stürmte auf sie zu und nahm sie fest in die Arme.
    »Elpida
mou
, wir freuen uns einfach nur, das ist alles – wir freuen uns über deine wunderbare Geschichte von der Hochzeit.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich. Und ich kann es gar nicht erwarten, bis du groß bist und selbst heiratest und ein kleines Mädchen in deinem
     Alter zu ihrer Mamma rennt, um ihr von dem wunderschönen Engel zu erzählen, den sie gesehen hat.«
    Elpida strahlte nun übers ganze Gesicht, und ihre dunklen Augen leuchteten vor Freude.
    »Das wird bestimmt schön, nicht wahr? Und obwohl meine Hochzeit noch Lichtjahre entfernt ist, weiß ich schon ganz genau, wen
     ich mal heiraten werde.«
    »Ach ja?«, fragte Praxi und lachte. »Und wer ist der Glückliche?«
    »Na, Loukis der Wolf, natürlich!«
    Hinter Praxi gingen gleich mehrere Teller zu Bruch. Als sie sich umdrehte, sah sie Elena bewusstlos auf dem Boden liegen.

16
    Egal, wo sie hinschaute, sah Elena nur Probleme: Im Dorf versteckte sich ihre Tochter vor ihren ehelichen Pflichten, während
     ihre Enkelin eine Hochzeit mit ihrem eigenen Vater plante; und in Keryneia lugte unter einem so gut wie nicht benutzten Ehebett
     eine Männerunterhose hervor, die viel zu klein war, um ihrem Schwiegersohn zu gehören. Elena schob sie mit dem Fuß ein Stück
     weiter unter das Bett, als bedeutete aus den Augen auch aus dem Sinn. Sie hatte nicht die Nerven, um sich mit den Fragen zu
     beschäftigen, die sich beim Fund dieser fremden Männerunterhose unweigerlich stellten.
    Wie gern würde sie mit jemandem reden, aber mit wem? Dhespina, die all die Jahre ihre Stimme der Vernunft und ihre Leibärztin
     gewesen war, schien entschlossen, die Augen zu verschließen, und jemand anderen, dem sie vertrauen könnte, gab es nicht. Ihr
     Mann war schon lange tot, Gott hatte allem Anschein nach ein taubes Ohr für ihre Gebete, die Heiligen wollten ihr auch keine
     Hilfe sein, und der Priester – nun, da hätte sie gleich Frau Televantos bitten können, sich mit einem Megaphon auf den Marktplatz
     zu stellen und aller Welt ihre Probleme zu verkünden. Nein, sie war völlig auf sich gestellt und

Weitere Kostenlose Bücher