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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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ein notwendiges Übel und ganz bestimmt nichts, worüber man sich lustig machen durfte.
    »Ist schon in Ordnung«, versicherte ihr Lenya. »Andreas macht nur Spaß, das weiß ich. Er liebt mich mit allem, was dazugehört.«
    »Trotzdem …
dolmades ?«
    »Ach, mach dir keine Gedanken. Wenn die Hose und deine Medizin erst mal wirken, wird er schon einsehen, dass es sich gelohnt
     hat.«
    Dhespina lächelte ihre Schwester an. Es war nicht leicht für Lenya: Seit drei Jahren war sie nun schon verheiratet, und noch
     immer hatte sie keine Kinder. Niemand verstand, warum, am wenigstens Lenya selbst. Sie war gesund und kräftig und hatte als
     kleines Mädchen dabei zugesehen, wie das silberne Kreuz ihrer Mutter über ihrer Handfläche gekreist war und ihr die Geburt
     von zwei Töchtern vorausgesagt hatte. Ein paar Jahre zuvor war Dhespina der Ohnmacht nahe gewesen, als ihr fünf Jungs prophezeit
     worden waren. Das Kreuz irrte sich nie.
    »Benehmen sich die Zwillinge denn im Lagerhaus?«, wollte Lenya wissen und riss ihre Schwester damit aus ihren Gedanken.
    Dhespina blickte auf. »Das behaupten sie zumindest, aber du kennst sie ja, sie halten zusammen wie Pech und Schwefel. Sie
     könnten die Festung in Keryneia abfackeln, und ich wäre die Letzte, die davon erfahren würde.«
    »Stimmt. Und ganz ehrlich, mir tut jetzt schon die Frau leid, die mal Nicos’ Angetraute wird!« Lenya zwinkerte ihr zu.
    Dhespina lächelte zurück, und obwohl sie wusste, dass Lenya es nicht böse meinte, versetzten ihr die Worte der Schwester einen
     Stich. Nicht, weil sie glaubte, Nicos gäbe einen perfekten Ehemann ab – Gott bewahre, in ihm tobten Licht und Finsternis,
     und er besaß den Charme des Leibhaftigen. Siekonnte sich nur schwer vorstellen, dass er sich je dem Willen einer Frau beugen würde. Nein, was Dhespina verletzte, war,
     dass sie gerade über die Zwillinge sprachen, nicht nur über Nicos, und wenn sie Marios unerwähnt ließ, ging Lenya offenbar
     davon aus, dass er niemals heiraten würde. Womit sie vielleicht recht haben könnte, aber Dhespina war noch lange nicht bereit,
     sich damit auseinanderzusetzen, geschweige denn es zu akzeptieren. Marios war ebenso groß und stark und schön wie ihre anderen
     Söhne. Doch in seinem Kopf war er ein Kind und würde auch immer eins bleiben. Während die Zeit verging und ihre Jungs zu Männern
     heranreiften, wagte Dhespina nicht, sich vorzustellen, wie Marios wohl reagieren würde, wenn Nicos eines Tages heiratete und
     eine eigene Familie gründete. Ihr Baby würde der Welt allein ins Auge sehen müssen, als die Hälfte eines Lebens, das immer
     zu zweit gelebt worden war.
    »Also dann, Dhespo, es wird Zeit für mich.« Herrlich arglos und sich in keiner Weise bewusst, was sie soeben angerichtet hatte,
     umarmte Lenya ihre Schwester und drückte ihr einen Abschiedskuss auf die Wange. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, wandte
     sich Dhespina seufzend den Kartoffeln zu, die auf dem Herd kochten.
     
    Am anderen Ende des Dorfes hatte Michalakis seinen Vater gerade im Kaffeehaus abgeholt, und zusammen machten die beiden Männer
     sich auf den Weg nach Hause, vorbei an der Kirche, der Dorfbäckerei und dem kleinen Gemischtwaren-Laden, in dem schon vor
     Stunden die Lichter ausgegangen waren. Bis zur Sperrstunde waren es nur noch wenige Minuten, doch Michalakis hatte keine Eile.
     Er war erleichtert, der nach Misstrauen stinkenden Hauptstadt mit ihren Sperrzonen entkommen zu sein, und atmete genussvoll
     den Duft von Jasmin ein.
    »Du machst dich gut«, lobte ihn sein Vater und klopfte ihm mit einer zusammengerollten Ausgabe der Zeitung auf die Schulter.
     »Schon wieder eine Titelgeschichte. Demnächst wirst du noch Chefredakteur.«
    »Wenn sie den Laden nicht vorher dichtmachen«, erwiderte Michalakis halb im Scherz.
    Seitdem der Notstand ausgerufen worden war, hatte man eine Reihe von Pro-EOKA-Blättern mundtot gemacht. Sogar die Übertragungen
     von Radio Athen wurden mitgehört und bisweilen unterbrochen. Es geschah so unglaublich viel im Land, doch je mehr passierte,
     desto weniger Wege standen Journalisten wie Michalakis offen, um den Menschen davon zu berichten. Die Folge war, dass Gerüchte
     für bare Münze genommen wurden und die Flammen einer berechtigten Auseinandersetzung immer höher loderten, bis sie in etwas
     weniger Ehrenhaftes umschlugen und alles niederzubrennen drohten.
    Michalakis wusste, wie der weitere Abend verlaufen würde, wenn sie erst einmal

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