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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Hause
     ausführlich über den immer vertrackter werdenden Konflikt diskutiert. Die Briten fühlten sich zunehmend in die Ecke gedrängt,
     suchten daher nach anderen Optionen und setzten jetzt auf die Unterstützung der türkischen Minderheit. Und die schloss sich
     nun massenhaft der britischen Polizei an, was die Griechen vor Wut kochen ließ. Kam jetzt ein Polizist ums Leben, so wurde
     dies nicht länger als ein Angriff auf die Besatzer verstanden, sondern als ein Angriff auf die Türken. Die Briten spalteten
     die beiden Gemeinschaften wie nie zuvor. Im Januar war ein türkischer Polizist getötet worden, nachdem er als Zeuge in einem
     Prozess gegen mehrere EOKA-Mitglieder ausgesagt hatte. Als Antwort hatten türkische Zyprer eine eigene Widerstandsgruppe gegründet
     und gefordert, dass für jeden getöteten Türken fünfzig Griechen ihr Leben lassen sollten. Innerhalb eines Jahres hatte sich
     der Kampf um
enosis
zu einemÜberlebenskampf ausgewachsen – und zu einem einzigen Vergeltungsschlag.
     
    Maria schwitzte, und mit jedem Schritt, den sie gingen, ärgerte sie sich mehr über die Hitze und die Absätze, mit denen sie
     ständig zwischen den Felsen stecken blieb. Sie hatten
zusammen
einen Ausflug zur Burg St. Hilarion machen wollen. Davon konnte allerdings nicht mehr die Rede sein: Maria war inzwischen
     so weit abgeschlagen, dass sie Praxi und Loukis nicht einmal mehr reden hören konnte. Wie undankbar die beiden waren! Hätte
     Maria sich nicht einverstanden erklärt, die Anstandsdame zu spielen, wäre Praxi niemals den Fängen ihrer Mutter entkommen,
     um Zeit mit Loukis zu verbringen. Zum Dank musste sie sich nun von Praxi zurechtweisen lassen, weil sie es gewagt hatte, höflichst
     um eine Pause zu bitten.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass du andere Schuhe anziehen sollst!«, fuhr Praxi sie an. Maria war den Tränen nahe – ihr war
     heiß, sie war müde, und es war einfach nur unfair.
    »Stop mal, Praxi«, lenkte Loukis ein. »Komm, Maria, ruh dich ein bisschen aus.« Er nahm ihre Hand und führte sie zu einem
     Felsblock. Praxi marschierte wütend weiter. Und keine Minute später lief Loukis ihr hinterher und überließ Maria sich selbst
     – wieder einmal.
    Als Maria später die Stelle erreichte, an der die beiden wartend im Gras saßen, war sie fix und fertig. Ihre schönen Schuhe
     waren ruiniert, und der Schweiß lief ihr in Strömen über Gesicht und Nacken. Sie hasste diese glühenden Sommertage.
    »Ich kann nicht mehr. Ich gehe keinen Schritt weiter«, verkündete Maria, als sie sich neben den beiden ins Gras fallen ließ.
    Die Burg lag noch immer kilometerweit weg, finster und drohend ragte sie in der Ferne auf. St. Hilarion war Maria nicht geheuer.
     Von ihrer Mutter wusste sie, dass die Burg nach einem Mönch benannt war, der in der Antike dort gelebt hatte. Damals spukten
     dort noch böse Geister. Da der alte Mönch jedoch taub war, bekam er gar nicht mit, wie sie versuchten, ihm Angsteinzujagen. Und so wurde es den Geistern schließlich langweilig; sie zogen fort und ließen den alten Mann in Frieden. Maria
     war sich sicher, dass der heilige Hilarion nicht nur taub, sondern auch dämlich gewesen sein musste. Wie konnte jemand nur
     freiwillig in dieser dunklen Ruine leben, fernab von jeglicher Zivilisation? Als sie eingewilligt hatte, den Tag zusammen
     mit Praxi und Loukis zu verbringen, hatte sie angenommen, sie würden nach Keryneia gehen und am Hafen entlangspazieren, wo
     der Wind für eine kühle Brise sorgte und die jungen Männer sich nach ihr umdrehten. Aber nein, Praxi hatte darauf bestanden,
     dass sie zu der Burg wanderten, und da Loukis grundsätzlich nach Praxis Pfeife tanzte, waren sie kurz vor dem Mittagessen
     aufgebrochen. Maria wünschte, sie hätte die beiden einfach allein gehen lassen, aber dann hätte sie sich den ganzen Nachmittag
     verstecken müssen, um sie nicht zu verraten. Außerdem war die Gelegenheit zu verlockend gewesen … Loukis gehörte zu der Sorte
     Mann, für die Maria zu sterben bereit wäre – was durchaus passieren konnte, wenn man sie zwingen würde, auch nur einen einzigen
     Schritt weiterzugehen.
    Ihre Mutter würde ausrasten, wenn sie herausfand, dass sie gerade eben jenen Berg hochstapfte, auf dem vor ein paar Wochen
     die Britin und ihr Fahrer umgebracht worden waren. Und genau das sagte sie ihren Freunden auch, als sie vollkommen erschöpft
     neben ihnen im Gras lag. Doch Praxi lachte nur.
    »Das ist nicht lustig«, schnauzte Maria

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