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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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deiner eigenen persönlichen Rache. Für Menschen der alten Schule wie
     mich hat der Kampf allerdings noch eine viel tiefere Bedeutung. Es geht darum, unser Schicksal zu verwirklichen. Als ich ein
     Junge war, hat man uns vor allem eines beigebracht: an eine Zukunft mit Griechenland, unserem Mutterland, zu glauben. Darauf
     wurden wir im Unterricht vorbereitet.«
    »Als die Briten den Osmanen damals Zypern abluchsten, dachte man, dass es nicht lange dauern würde, bis wir zu Griechenland
     gehören würden. Anfangs sah es auch nicht schlecht aus – die Briten nahmen sich nur unser Geld. Doch im Laufe der Zeit sperrten
     sie sich immer mehr und setzten alles daran, die Mutter zu verdrängen, nach der wir uns so sehnten. Wie ein Bauer, der einen
     Baum sterben lassen will, fingen sie an, unsere Äste abzuschneiden und die Stümpfe mit Öl zuzuschmieren. Diese Äste waren
     unsere Schulen, Loukis. Die Briten haben einen gemeinsamen Lehrplan für Griechen und Türken eingeführt, dabei verkam der Griechischunterricht
     natürlich völlig. Griechische Geschichte war nur noch Teil der allgemeinen Geschichte des Balkans, griechische Landkarten
     wurden verboten ebenso wie Bilder von griechischen Königen. Keiner lernte mehr die griechische Nationalhymne, und die Feiern
     am Unabhängigkeitstag fielen aus. Bald wurde auch die griechische Flagge verboten – verstehst du, einfach alles, was die blau-weißen
     Farben Griechenlands trug, war untersagt. Aus diesem Grund, Loukis, geht es der EOKA in ihrem Kampf nicht um mehr Rechte oder
     Möglichkeiten. Sie kämpft um die Einheit mit Griechenland, um die Verwirklichung dieser einen Sache, auf die uns unsere Geschichte
     vorbereitet hat. Über Jahre hinweg haben die Briten uns dieser Zukunft zu berauben versucht, doch das wird ihnen nie gelingen.
     Letzten Endes werden sie verlieren, denn man kann einem Menschen nicht sein Schicksal verweigern.«
    Mit glasigen Augen beendete Demetris seine emotionaleRede. Sein Patriotismus war schon durch die Adern längst verstorbener Vorfahren geflossen, und seine Entschlossenheit, ihre
     Träume Wirklichkeit werden zu lassen, war aus den Grabsteinen einer alten Geschichte gehauen.
    Angesichts dieser Leidenschaft für Zypern schämte sich Loukis der Motive, die ihn in den Widerstand getrieben hatten. Gleichzeitig
     war ihm klar, dass ihn die Worte des alten Mannes in dieser Hinsicht jedoch nicht beeinflussen konnten. Für Loukis war Zypern
     seine Heimat, und er liebte diese Heimat. Aber seine Mutter war die Frau, die ihr Blut vergossen hatte, um ihm das Leben zu
     schenken, und die Sache, für die er kämpfte, drehte sich von vorn bis hinten nur um ein Mädchen.
    Nach dem Essen zogen sich Demetris und Lella in die Küche zurück. Zuvor hatte Demetris Loukis seine große Hand auf die Schulter
     gelegt und ihm zu verstehen gegeben, dass er bei den beiden Männern am Tisch sitzen bleiben sollte. Loukis sah die Fremden
     erwartungsvoll an.
    »Ich bin Antoniou, und das ist Harris«, erklärte der kleine, drahtige Mann, der ihm direkt gegenüber saß. Seine scharfen Gesichtszüge
     wurden von einer Schiebermütze halb verdeckt. Sein Begleiter, Harris, hatte mehrere punktförmige Muttermale auf der linken
     Wange. Sie sahen aus wie schmutzige Tränen, doch seine braunen Augen funkelten heiter.
    »Du wirst uns auch unter den Namen Xanthus und Balius kennenlernen«, fuhr Antoniou fort.
    »Wer von euch ist Xanthus?«, fragte Loukis, und Harris grinste.
    »Ich bin Balius«, sagte er. »Ich nehme an, du weißt, warum wir dir das erzählen.«
    »Ja«, erwiderte Loukis.
    »Gut«, sagte Antoniou knapp. »Wir haben nämlich nicht viel Zeit.«
    In den folgenden zwanzig Minuten erklärten ihm die beiden, wie die Kommunikation innerhalb der Zelle funktionierte. Jeden
     Morgen, so wiesen sie Loukis an, sollte er sich zu unterschiedlichenZeiten, jedoch nicht zu spät, auf den Weg ins Dorf machen. Würde an dem Baum beim Dorfbrunnen, am zweiten Ast von unten, ein
     Stück Wolle hängen, wäre das ein sicheres Zeichen, dass er gebraucht wurde. Er solle dann sofort und so schnell wie möglich
     zum Versteck der Gruppe kommen. Wo genau sich das befand, würde ihm Stelios am nächsten Tag zeigen. Die beiden sollten sich
     um 8 Uhr 40 vor dem Kaffeehaus treffen, da um diese Zeit die meisten Dorfbewohner in der Kirche waren.
    »Ich gehe davon aus, dass wir dir nicht extra sagen müssen, dass du die Klappe zu halten hast?«, vergewisserte sich Antoniou
     mit einem Mal

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