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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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– die schleichende Schwermut, das unberührte Essen –, doch sie
     hatte es auf die Jahreszeit geschoben: Die drückende Sommerhitze schlug einfach jedem auf den Appetit. Und so hatte es sie
     umso schwerer getroffen, als sie das alte Mädchen am Morgen scheinbar noch schlafend vorgefunden hatte.
    »Sie war eine gute Ziege, Mamma.«
    »Ja, das war sie, Marios. Das war sie.«
    Dhespina lehnte den Spaten gegen den Orangenbaum, nahm eine Handvoll getrockneter Rosenblätter aus ihrer Schürzentasche und
     verstreute sie auf dem Grab – eine kleine Geste, mit der sie Athena zeigen wollte, wie sehr sie geschätzt und geliebt worden
     war.
    »Wir kaufen dir eine neue Ziege«, bot Georgios an. »Natür lich erst, wenn du dazu bereit bist.«
    Dhespina schenkte ihrem Mann ein dankbares Lächeln. Doch sie wussten beide, dass ihnen nichts und niemand Athena ersetzen
     konnte, genau, wie sie es nie übers Herz gebracht hatten, sich einen neuen Hund anzuschaffen. Ganz abgesehen davon war Dhespina
     es leid, Erdlöcher auszuheben. Sie sehnte sich nach dem unbeschwerten Glück ihrer Jugend.
    Nach einem schweigsamen Frühstück aus Halloumi und Speck zog sich Georgios mit einem entschuldigenden Blick zum Arbeiten zurück,
     und Marios machte sich auf den Weg indie Werkstatt seines Bruders. Dhespina entschied, ihrem Jüngsten einen Besuch abzustatten.
    Schon von weitem sah sie Loukis auf einem Stein vor seinem Haus sitzen, wo er gerade einen Hasen häutete. Seine Hände waren
     blutüberströmt. Und plötzlich fiel es seiner Mutter wie Schuppen von den Augen: Ihr Junge war zum Mann geworden. Wie immer
     war er nachlässig gekleidet. Er trug eine schwarze Hose und ein graues T-Shirt, das an den Ärmeln ganz ausgefranst war. Die
     weiße Hauswand, vor der er saß, ließ seine Kleidung noch düsterer erscheinen, und im Vergleich zu dem niedrigen Gebäude wirkte
     er geradezu riesig. Sogar der Priester hatte sich im Anschluss an den traditionellen
agiasmos
, die Haussegnung, zu dem Scherz hinreißen lassen, dass man ihn doch ein weiteres Mal rufen solle, wenn das Haus der Größe
     seines Besitzers angepasst worden sei.
    Loukis hatte Dhespina nicht bemerkt. Leise trat sie hinter ihn, legte ihm die Hände unters Kinn, zog seinen Kopf zurück und
     gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
    »Was ist denn mit dir los? Du siehst elend aus.«
    »Athena ist tot.«
    Loukis sah seine Mutter mitfühlend an. »Oh, das tut mir leid. Aber sie hat ein ordentliches Alter erreicht.«
    »Ja, das hat sie«, erwiderte Dhespina. Sie winkte Pembe zu, die auf ihrer Veranda saß und aus den Wedeln der Dattelpalme einen
     Korb flocht. Die alte Frau erwiderte den Gruß mit einem fröhlichen
salaam.
    »Hast du dir unser Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen lassen?«, wandte sich Dhespina wieder an ihren Sohn.
    »Ach, weißt du …«, sagte Loukis nur und bemühte sich zu ignorieren, dass seine Mutter verdrossen den Kopf schüttelte.
    »Das ist dem Mädchen gegenüber nicht fair, Loukis. Du solltest sie entweder heiraten oder ziehen lassen.«
    »Da lässt du mir ja eine großzügige Wahl, Mamma …«
    »Das ist nicht lustig, mein Sohn. Seit über zwei Jahren siehst du nun schon zu, wie dir das Mädchen hinterherläuft. Dukannst sie dir nicht weiter wie einen deiner sterbenden Hasen an den Gürtel binden und dort zappeln lassen. Du musst dich
     endlich entscheiden, Loukis. Allmählich wird es unangenehm. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo ich hinschauen soll, wenn ich
     ihren armen Eltern begegne.«
    »Also gut, ich denke darüber nach.«
    »Ich will, dass du das nicht nur sagst, sondern auch so meinst«, verlangte Dhespina und wollte nach Loukis’ Kinn greifen.
    Er drehte seinen Kopf zur Seite.
    »Ich habe gesagt, dass ich darüber nachdenken werde. Würdest du mich jetzt bitte in Ruhe lassen? Ich habe zu tun.«
    Ohne ein weiteres Wort stand Loukis auf und verschwand in seinem Haus.
     
    Elpida sah auf den Teller, der vor ihr stand, und ließ stöhnend ihren Kopf auf den Holztisch fallen. »Nicht schon wieder Äpfel
     …«
    »Äpfel sind gesund.«
    »Sie sind langweilig!«
    Unbeirrbar klaubte Praxi weiter die Kerne aus dem herausgeschnittenen Gehäuse, die sie neben sich in eine kleine Schüssel
     fallen ließ.
    » Yiayia
sagt, dass ich Fleisch essen muss, damit mein Blut stark wird«, protestierte Elpida.
    Nun, deine Großmutter hat ja auch keinen Ehemann, den sie aus dem Weg räumen will, dachte Praxi im Stillen. »Iss einfach deine
     Äpfel,

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