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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Neben dem alten Regal, wo der Boden aus Fliesen bestand, auf denen jeweils eine menschliche Sünde dargestellt war, fand ich das zweite Versteck. Wie zu erwarten gewesen war, lag es unter der Kachel mit der Aufschrift »Habgier«. For hatte seinen eigenen Sinn für Humor. Hier lagerte noch mehr Gold als im ersten Depot. Ich vermutete, auf die schwarze Kasse der Diener Sagoths gestoßen zu sein. Sechs- oder siebentausend in Gold, würde ich meinen. Nach dem Fußboden machte ich mich an die Möbel.
    Auch hier ging ich mit der bewährten Pedanterie vor. Auf diese Weise spürte ich einen doppelten Boden in einem der Fächer des Schreibtischs auf, wo mein verehrter Lehrer die Korrespondenz mit Priestern aus Garrak aufbewahrte. Meiner Ansicht nach waren diese Briefe keineswegs geheim, sonst hätte For sie irgendwo anders versteckt. Vermutlich sollte mit ihnen irgendein Dummkopf auf die falsche Fährte gelockt werden. Nun, da ich ahnte, dass ich des Rätsels Lösung nahe war, stürzte ich mich mit noch größerem Eifer auf alle Stühle, um sie sorgsam zu untersuchen. Danach klopfte ich sogar die beschnitzte Rückwand des Bettes ab. Nichts! Da hätte ich auch einen rauchenden Zwerg suchen können! Damit blieb nur noch der mühseligste Teil: die Wände. Und die würden mich mit Sicherheit bis zum Einbruch der Dunkelheit in Anspruch nehmen.
    Doch das Glück sollte mir hold sein. Als ich die ersten Fresken mit den Fingern abklopfte, gab eine ein etwas dumpferes Geräusch als die anderen von sich. Jetzt musste ich nur noch dahinterkommen, wie ich an das Versteck gelangen konnte, denn das Fresko und die Wand bildeten ein untrennbares Ganzes.
    Sollte ich ein Loch in die Wand schlagen? Das wäre beschämend. Schließlich bin ich ein Meisterdieb, kein grobschlächtiger Langfinger. Ohne triftigen Grund schwang ich doch nicht die Holzaxt. Abgesehen davon, wollte ich ja auch nichts stehlen, sondern mir lediglich meine Papiere ansehen. Obendrein wäre For über ein Loch in der Wand gewiss nicht entzückt. Mir blieb also nichts anderes übrig, als die Wand Zoll für Zoll abzutasten und darauf zu hoffen, ein geheimes Schloss aufzuspüren. Aber halt! Ich kramte in meiner Tasche und zog ein bei Honhel erworbenes Fläschchen mit einer milchig-weißen Flüssigkeit heraus. Ein Öffner für Schlösser und Riegel. Ich mühte mich ordentlich und nahm schließlich sogar die Zähne zu Hilfe, um es zu entkorken. Nach einer Minute heißen Kampfes verlor der Korken die Schlacht und sprang protestierend schmatzend heraus. Die scharf riechende Flüssigkeit verteilte ich großzügig über der Stelle, an der ich das Geheimfach vermutete. Kaum trafen die Tropfen auf das Fresko, funkelten sie gleich blendenden Rubinen auf, um dann in der Luft zu schmelzen, als hätte es sie nie gegeben. Daraufhin wurde die Wand durchsichtig, das Fresko mit der Darstellung eines Stiers kroch zur Seite und gab eine massive Metalltür frei, eine Arbeit der Gnome. Mit einem Schloss, wie es im Buche stand.
    Da das Türchen recht weit oben lag und es lächerlich gewesen wäre, das Schloss auf Zehenspitzen stehend zu öffnen, wuchtete ich den Tisch vor die Wand, kletterte hinauf und holte meine treuen Nachschlüssel heraus. Der Sieg ward hart errungen. Geschlagene zwanzig Minuten brauchte ich, bevor das letzte Hindernis widerwillig nachgab und sich die Tür öffnete. Fröhlich lachend wollte ich schon mit der Hand ins Fach greifen, zog sie jedoch in letzter Sekunde zurück. Besser, ich suchte das Versteck erst auf mögliche Fallen für irgendwelche Dummköpfe ab. Es wäre For durchaus zuzutrauen, sie aus alter Gewohnheit eingebaut zu haben. Aber nein, es gab weder Fangeisen noch sonstige Gemeinheiten.
    Ein kleines Versteck. Kein Gold, keine anderen Wertsachen. Nur Papiere. Um die Geheimnisse der priesterlichen Bruderschaft kümmerte ich mich nicht, die Jungs spielten ihre eigenen kleinen Spielchen, da steckte ich meine Nase lieber nicht rein. Ich nahm lediglich an mich, was mir gehörte, und schloss das Fach wieder. Sobald das Schloss einrastete, schob sich das magische Fresko wieder an seinen Platz zurück und stopfte damit das monströse Loch in der Wand. Ein außenstehender Beobachter hätte nie vermutet, was sich hier für ein Geheimnis verbarg.
    Ich kletterte vom Tisch hinunter, zog ihn an seinen ursprünglichen Platz zurück und setzte mich hin, um die Papiere zu studieren. Mir blieben immer noch rund vier Stunden. Die alten Schriftrollen enttäuschten mich. Ich las das

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