Schattenwanderer
magisches Netz auf, gewebt aus fahlgrauen Strahlen. Wuchjazz heulte noch wütender und setzte alles daran, die magischen Stricke zu durchreißen, aber da flammte etwas auf und verbrannte ihn. Varrthaufhand brüllte in einer kehligen und mir unverständlichen Sprache los, worauf an einer Stelle das Netz verblasste. Ich befürchtete schon, das Fischlein würde zurück ins Wasser springen, aber Arziwus wedelte nur lässig mit der Hand, und ein unsichtbarer Hammer schlug mit voller Wucht auf die Brust des hammelköpfigen Dämons ein. Varrthaufhand sackte auf seinen Bruder und verstummte.
»Das reicht!«, erklärte Arziwus hüstelnd und schauderte zusammen. Offenbar fehlte dem Alten das Feuer an seiner Seite. »Die Sache ist vollbracht.«
Das Netz zog sich um den reglosen Varrthaufhand und den röchelnden Wuchjazz fest. Völlig fassungslos beobachtete ich, wie beide Monster schrumpften. Bald blieb an der Stelle, an der noch vor wenigen Minuten zwei ausgewachsene Dämonen gegeneinander gekämpft hatten, nur eine kleine, funkelnde Kugel zurück, nicht größer als eine Faust. Wenn meine dämonischen Freunde es darin bloß nicht zu eng und unbequem hatten!
»Nehmt sie mit, Meister Rodgan!«, bat Arziwus und deutete mit dem Kopf auf die Kugel. »Sperrt die Kreaturen in einen Käfig und untersucht sie! Der Rat wird Euch im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten helfen.«
Einer der Dämonologen, der seine Freude beim besten Willen nicht verhehlen konnte, nickte rasch, nahm die Kugel vom blutverschmierten Fußboden auf und steckte sie sorgsam in eine kleinere Tasche. Ich konnte ihn verstehen. Endlich bekamen die Dämonologen die Gelegenheit, echte Dämonen bei lebendigem Leibe zu untersuchen, und brauchten nicht länger die Folianten mit Beschreibungen zu studieren.
Arziwus, der achtlos über die Leichen hinwegstieg, als wären es nicht tote Menschen und Doralisser, sondern Steine, trat zu Markuns enthauptetem Körper hinüber und hob das Pferd der Schatten auf.
»Keine Bewegung! Im Namen des Königs!« Dieser Schrei lenkte mich von Arziwus ab. Die Stadtwache tauchte in der Tür auf, angeführt von Baron Lonton, um alle Überlebenden festzunehmen.
»Ah, Baron!« Arziwus hüstelte. »Wie immer seid Ihr ein wenig spät …«
»Was soll mit denen passieren, Euer Magierschaft?« Frago ging nicht auf den spöttischen Ton des Erzmagiers ein.
»Woher soll ich das wissen?« Arziwus zuckte beiläufig mit den Achseln. Das weitere Schicksal der Teilnehmer an diesem Geplänkel interessierte ihn nicht im Geringsten. »Das ist Eure Angelegenheit, Baron. Verhört sie und tut, was Ihr für notwendig erachtet!«
Der Baron nickte, legte die Hand auf die Brust und begab sich zusammen mit seinen Soldaten zum Ausgang, ein Dutzend Menschen und fünf Doralisser abführend.
Arziwus übergab das Pferd einem der Erzmagier, blickte zur Decke hoch und rief verärgert: »Garrett, du hast lange genug da oben gehockt. Würdest du dich jetzt freundlicherweise herunterbequemen?«
So viel zu diesem Fußboden! Für den Magister war er also genauso durchsichtig wie für mich. Mir blieb nichts weiter übrig, als mich zu Arziwus und den anderen Erzmagiern hinunterzubegeben. Kurz dachte ich noch daran, mich übers Dach zu verdrücken, verwarf diese Idee jedoch. Arziwus war nicht zu Späßen aufgelegt, im Grunde wie immer, und ich wollte mein Leben keinesfalls als Frosch beschließen.
Wie bereits gesagt, der Blick Seiner Magierschaft verhieß meiner Person nichts Gutes. Immerhin wollte der Erzmagier mir diesmal nicht auf der Stelle das Fell gerben. Aber natürlich würde ich nicht umhin kommen, ihm seine Fragen zu beantworten.
»Da bist du ja«, brummte der Alte. »Komm mit, ich habe ein paar Fragen an dich.«
Na bitte schön!
Der alte Gosmo war noch nicht wieder hinter der Theke hervorgekommen, was meine Gewissheit nur vergrößerte, dass er längst über alle Berge war. Ich versuchte, jeden Blick auf die Toten zu vermeiden, als ich Arziwus hinaus auf die Straße folgte. Die Schenke blieb in der Obhut von zwei Erzmagiern. Meiner Ansicht nach würden sie diesen Ort nicht so schnell verlassen, sondern ihn gründlich noch mindestens zehnmal von oben bis unten durchkämmen und in Löchern graben, von denen nicht einmal die Königlichen Sandkörner träumten.
Es war stockdunkel, in keinem der Fenster brannte Licht. Dennoch war ich mir sicher, dass heute Nacht niemand in der Straße des Schlafenden Hundes schlief. Bei dem Radau, der in den letzten zehn
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