Schattenwanderer
Verbotenen Viertel besorgt habe. Ich komme morgen in den Palast. Genauer gesagt, heute früh.«
»Willst du mir weismachen, du hättest sie nicht bei dir?«, fragte Arziwus verwundert.
»Natürlich nicht. Ich werde doch nicht so dumm sein, diese Karten überallhin mitzuschleppen«, log ich und spürte, wie die Papiere mir durch die Tasche hindurch den Körper versengten.
»Und wo hast du sie versteckt?«, fragte Arziwus in einem Ton, der darauf schließen ließ, dass er die geistigen Fähigkeiten des ihm gegenüber sitzenden Garrett nicht sonderlich hochschätzte.
»An einem zuverlässigen Ort«, antwortete ich.
Ich musste dem Oberhaupt des Ordens ja nicht auf die Nase binden, dass darunter meine Tasche zu verstehen war. Dann sähe sich der Magier bloß veranlasst, mich geradewegs beim König abzuliefern – und ich könnte mich nicht mehr von For verabschieden!
»An einem zuverlässigen Ort«, brummte der Erzmagier. »In unseren Zeiten gibt es keine zuverlässigen Orte, Garrett! Mich wundert, dass ausgerechnet du das nicht weißt! Gut, hol deine Sachen! Aber merk dir eins: Wenn du bis morgen Abend nicht im Palast erschienen bist, werde ich dich persönlich suchen.«
»Keine Sorge, Euer Magierschaft, ich werde da sein«, beeilte ich mich, Arziwus meiner abgrundtiefen Ehrlichkeit zu versichern.
Ich war mir sicher, dass mir der alte Zauberer kein Wort glaubte, trotzdem ließ er die Kutsche anhalten. Bis zu For musste ich mich zu Fuß durchschlagen.
»Alles Gute, Garrett«, entließ mich Arziwus.
»Gute Nacht, Euer Magierschaft.«
Die Kutsche hatte an der Grenze von Äußerer und Innerer Stadt gehalten, bis zum Tempelplatz war es nicht mehr weit. Das würde ich schaffen.
Die Kutscher trieben die Pferde an, hielten jedoch nach wenigen Yard wieder.
»He, du!«, rief mich einer von ihnen.
Was waren das nur für Leute? Hatten die denn gar keine Manieren?
»Komm her, Seine Magierschaft will was von dir!«
Also musste ich noch einmal zurück, die Tür der Kutsche öffnen und vor den Erzmagier treten, der in seine Decke gehüllt war.
»Garrett, das wollte ich noch erwähnen«, sagte Arziwus hüstelnd. »Vielen Dank für deine Hilfe, der Orden wird dir das nicht vergessen.«
Als die Kutsche schon lange in die Dunkelheit entschwunden war, stand ich noch immer mit offenem Mund mitten auf der Straße. Soweit ich mich erinnerte, hatte es dergleichen nie zuvor gegeben: Der Orden erkannte die Hilfe eines Menschen an und bedankte sich sogar dafür. Damit war der letzte Zweifel ausgeräumt: Die Welt trieb auf einen Abgrund zu, der Himmel würde auf uns fallen und mein Lieblingshühnerauge zerquetschen.
Kapitel 17
Aus dem Munde eines Narren
»Kämpfst du mit dem Dunkel in dir?«
Ich seufzte erleichtert. Noch gab es in unserer sündigen und leidgeprüften Welt Dinge, die sich selbst in Jahrhunderten nicht ändern würden. Der Greis stand nach wie vor neben dem Eingang in die Tempelanlage Posten. Sein Kamerad auf der anderen Seite des Eingangs döste vor sich hin und drohte, gleich zusammenzubrechen und zu Boden zu fallen. Ob sie je abgelöst wurden?
»Ich vernichte das Dunkel«, antwortete ich.
»Dann tritt ein und wende dich an die Götter!« Der schlummernde Alte war prompt munter geworden, um seinen Einsatz nicht zu verpassen.
Das nenne ich Macht der Gewohnheit!
»Das werde ich wohl morgen früh tun. Warum die Götter wegen Nichtigkeiten stören?«, erwiderte ich.
»Auch wahr«, bemerkte der erste Priester. »Die Götter sind unserer Bitten und Gebete müde.«
Der zweite Alte nickte wieder ein.
»Macht’s gut!«, wünschte ich den beiden Alten und ging meines Weges.
»Hängst du auch Sagoth an?«, rief mir einer der beiden nach.
»Ja«, antwortete ich, ohne mich umzudrehen. Doch dann blieb ich wie vom Donner gerührt stehen und wirbelte scharf herum. »Was heißt das? Auch ?«
»Also, vor nicht mal fünf Minuten sind ein paar Burschen gekommen, die haben gefragt, wo sie den Verteidiger der Hände, also den Priester For, finden würden. Gehörst du zu denen?«
Ich antwortete nicht, weil ich bereits zu den Wohnanlagen Sagoths eilte. Mir gefiel es nicht, wenn mitten in der Nacht irgendwelche Burschen meinen alten Lehrer aufsuchten.
Die warme Julinacht war still und friedvoll. Nur eine einzelne Grille zirpte fröhlich unter einem Gebüsch, gab ein kleines Konzert für all diejenigen, die nicht schlafen konnten. Ich rannte und rannte und wusste doch, dass ich zu spät kam. Wer auch immer For gesucht
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