Schattenwanderer
er nicht nur den Jungen und die Hunde erschreckte, sondern auch die Hälfte unserer Pferde.
»Hör auf damit, Kli-Kli!«, verlangte Marmotte verärgert. »Du verdirbst Triumphator ja für den ganzen Tag den Appetit!«
»Ich habe nur vorgemacht, wie Oger heulen!«, rechtfertigte sich der Kobold.
»Das soll ein Oger sein?«, fuhr ihn Deler an. »So mag deine Großmutter heulen, aber kein ausgewachsener Oger! Mumr, zeig ihm mal, wie ein Oger heult!«
Lämpler, der hinter mir ritt, erfüllte die Bitte des Zwergs nur zu bereitwillig, indem er einen Laut ausstieß, der mich beinahe vom Pferd fallen ließ. Die Hirtenhunde hinter uns winselten verängstigt auf.
»Habt ihr alle den Verstand verloren!«, brüllte Ohm uns an. »Ihr verhinderten Spaßvögel! Ihr verschreckt ja sogar die Heuschrecken!«
»Schwill ab, Ohm!«, sagte Deler. »Uns ist halt langweilig.«
Ohm winkte nur gottergeben.
Den Rest des Tages ereignete sich nichts mehr von Bedeutung.
Die nächsten beiden Tage durchquerten wir weiter das riesige Gelände mitten im Herzen Vagliostriens, das noch keines Menschen Fuß betreten hatte. Rechts von uns erstreckte sich der undurchdringliche Wald.
»Übermorgen müssten wir wieder auf die Straße stoßen«, kündigte Met schließlich an.
»Wenn wir nur schon da wären! Ein Bier, das würd mir jetzt schmecken«, seufzte Deler. »Wenn ihr wüsstet, was es mich kostet, mich derart zusammenzureißen. Alles nehme ich hin, alles ertrage ich, dabei könnte ich aus der Haut fahren!«
Hallas schnaubte.
»Was schnaubst du so, Bartwicht?«
»Ein Bier, das würd mir jetzt auch schmecken.«
»Ach so«, erwiderte Deler enttäuscht, als er begriff, dass er keinen Streit mit dem hitzegeplagten Gnom vom Zaune brechen konnte.
Vom Himmel schlug erbarmungslos die Sonne herab.
»Es wird Regen geben«, sagte Kater nach langem Schweigen.
»Hoffentlich!« Schandmaul blickte sehnsüchtig zum wolkenlosen Himmel hinauf. »Diese Hitze hält ja kein Mensch aus!«
»Besser Hitze als Regen!«, widersprach Lämpler.
»Hitze! Regen!«, brummte Arnch. »Allen kann man es nie recht machen.«
»Du musst gerade reden!«, fuhr Schandmaul ihn an. »Wenn du dir den Nacken polieren willst, bitte schön! Aber pass auf, dass du dir nicht was Wichtiges abschneidest, während du deine klugen Bemerkungen von dir gibst!«
Für Schandmaul gab es einen guten Grund zu dieser Warnung. Arnch hatte einen Krummdolch aus dem Stiefel gezogen und machte dem zarten Haarwuchs auf seinem Kopf den Garaus. Die Soldaten aus dem Grenzkönigreich hingen einer nur ihnen verständlichen Mode an und trugen eine funkelnde Glatze zur Schau, dass es eine Freude war. Insbesondere für die Sonne.
Ich teilte Schandmauls Sorge um Arnchs Kopf. Er bräuchte bloß einmal abzurutschen, und die scharf geschliffene Klinge würde ihm das Ohr oder gar den Kopf absäbeln.
»Sag mal, Arnch«, wandte sich Hallas an ihn. »Hast du keine Angst, dass dir der Regen die Glatze tränkt?«
»Was ist mit dir?«, fragte Arnch gelangweilt zurück, während er mit dem Daumen die Schärfe der Klinge prüfte. »Hast du keine Angst?«
»Hä?«, stieß der Gnom hervor.
»Dass dir der Regen den Bart tränkt«, parierte der Soldat.
»Gut gekontert!«, sagte Deler begeistert.
»Schweig, du Held«, fuhr Hallas den Zwerg an. »Sonst wird dein geliebter Hut noch nass.«
»Du, Kater«, fragte Marmotte, der vor uns ritt, »bist du sicher, dass es regnen wird?«
»Ja.«
»Wenn ich das doch bloß glauben könnte!«, seufzte Schandmaul.
»Das könntest du, wenn du mal nach hinten blicken würdest«, empfahl ihm der Narr kichernd.
Katers Vorhersage, es würde Regen geben, verlor jedes Geheimnis, als wir dem Rat des Narren folgten.
Am Horizont ballten sich majestätische, dunkelfliederfarbene, teils von pechschwarzen Streifen durchzogene Gewitterwolken zusammen.
»Und wir haben schon geglaubt, du könntest nicht nur Gefahr, sondern auch das Wetter voraussagen!«, gestand Lämpler enttäuscht.
Er machte ein Gesicht wie ein Kind, dem man die Süßigkeiten weggenommen hatte.
»Bin ich ein Frosch, dass ich das Wetter vorhersagen kann?«, schnaubte Kater. Er spähte noch einmal aufmerksam zu der fernen Gewitterfront zurück.
»Endlich!«, triumphierte Marmotte. »Die lang ersehnte Abkühlung naht!«
Der Ling auf seiner Schulter rührte sich ebenfalls und blähte aufgeregt das rosafarbene Näschen. Auch er witterte offenbar das heraufziehende Gewitter.
»Wenn das mal nicht übel endet!«, knurrte
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