Schattenwanderer
etwas Schwarzes zu. Der fing es auf und drehte das Ding in den Händen hin und her, um es schließlich in den Bach zurückzuwerfen. Ich hatte bemerkt, dass es ein Unterkiefer mit unnatürlich großen und langen Zähnen war. Genauer gesagt, mit Fängen. Wie bei Ell und jedem anderen Elfen. Oder bei jedem Ork.
»Orks?« Arnch sah den Elfen fragend an.
»Wer sonst?« Die goldenen Augen des Elfen funkelten. »Menschenknochen findest du zwar auch, aber verglichen mit denen der Orks nur in verschwindend geringer Zahl. Die Orks haben hier tüchtig Federn gelassen.«
»Ja, das dürfte kein Zuckerschlecken für sie gewesen sein«, bemerkte Lämpler.
»Aber hier waren nicht nur Pfeile im Spiel.« Kater kam noch einmal ohne sein Pferd zurück und half Lämpler mit seinem sturen Klepper. »Hier wurde auch Magie eingesetzt. Die Hänge der Schlucht sind verkohlt. Jemand hat in der Schlucht ein Feuer entfacht.«
Die Zauberin fiel mir wieder ein … und damit auch der Nebel in der Schlucht, den sie in Brand gesetzt hatte.
Der Weg den Hang hinauf gestaltete sich mühevoll. Schandmaul rutschte ab und fiel in den Schlamm, worauf er die Schlucht mit erlesenen Flüchen überschüttete. Die Pferde bewältigten den Anstieg kaum, und das alles noch bei beständigem Regen. Als wir endlich oben ankamen, wären wir alle am liebsten vor Erschöpfung ins Gras gesunken. Ich selbst war durch und durch nass, nicht vom Regen, sondern vom Schweiß.
»Puh!« Arnch atmete schwer. »Was für eine Kletterei! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich all diese Schindmähren, die es nicht mal wert sind, Pferd genannt zu werden, auf halber Strecke umgebracht.«
»Dann solltest du mal zu uns ins Zwergengebirge kommen!«, höhnte Deler.
Während sich alle ausruhten, sah ich mich um. Der Weg auf der anderen Seite der Schlucht lag genau vor mir. Wenn Regen und Nebel nicht gewesen wären, hätte man von hier aus sicher einen herrlichen Blick gehabt. Ich versuchte die Reste der alten Palisade auszumachen, aber nach all der Zeit war nichts als die Erinnerung von ihr geblieben. Das dürfte jedoch nicht für die Knochen der Gefallenen gelten. Als ich allerdings nach den Gebeinen derjenigen Ausschau hielt, die die Orks mit ihren Pfeilen empfangen hatten, entdeckte ich nichts. Überhaupt nichts. Die Knochen mussten in die Schlucht gerutscht sein. Vielleicht hatte sich die Erde ihnen gegenüber jedoch auch barmherziger gezeigt als gegenüber denen der Orks.
»He, Schattentänzer!« Kli-Kli trat an mich heran. »Markhouse hat beschlossen, dass wir hier übernachten.«
»Wenn ich mich recht erinnere, habe ich darum gebeten, mich nicht so zu nennen!«, blaffte ich den Kobold an, aber der kleine Widerling zuckte nicht mal mit der Wimper.
Ja, er sah mich nicht einmal an, sondern starrte auf den Weg, über den wir gerade gekommen waren. Wie von der Tarantel gestochen, stürzte Kli-Kli plötzlich zurück. Der Kobold schrie, als hätten Riesen ihm die geliebten Glöckchen an seiner Kappe zerquetscht.
Ich jagte dem Narren nach, denn ich fürchtete, er habe jetzt vollends den Verstand verloren.
Kaum hörten die anderen Kli-Klis Schreie, da unterbrachen sie ihr Tun und starrten den Narren an. Zumindest auf den Gesichtern von Alistan und Egrassa spiegelte sich jener Gedanke wider, der auch mir gekommen war: Der Kobold musste nun endgültig verrückt geworden sein.
Kli-Kli raste zu den Soldaten und gebärdete sich wie ein Floh, der zu viel Schönes Kraut geraucht hatte und nun eine Art wahnsinnigen Tanz aufführte. Dabei schrie der königliche Narr in einem fort etwas von einer Wolke und davon, dass Kater recht gehabt hatte.
Als ich den Kobold erreichte, tanzte und schrie Kli-Kli immer noch. Die anderen beobachteten ihn entgeistert.
»Garrett!«, wandte sich Kli-Kli an mich. »Wenigstens du musst mir glauben! Die Wolke!«
»Was ist denn mit der Wolke, mein lieber Freund?«, fragte ich mit möglichst sanfter Stimme – ganz so wie man mit Verrückten spricht.
»Sperr die Augen auf! Und sieh nicht mich an, du Hammelhirn, sondern den Himmel!«
Mit Geisteskranken legte man sich besser nicht an, deshalb spähte ich unter dem hartnäckigen Blick des Kobolds in die Regenwolken hinauf. Einige der Wilden Herzen folgten meinem Beispiel. Doch weder sie noch ich bemerkten etwas Auffälliges.
Die gleichen Wolken wie vor einer Stunde, grau und regenschwer.
»Hmm … wenn du mich fragst, sind das ganz gewöhnliche Wolken.«
»Da!« Kater zeigte mit dem Finger in die
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