Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
Vom Netzwerk:
blass aus, torkelte jedoch nicht mehr. Aus dem Glas mit Medizin, das er seinem Lehrer brachte, verschüttete er keinen einzigen Tropfen. Mit angewidertem Gesichtsausdruck trank Arziwus die braune Flüssigkeit aus, spülte sie anschließend mit Wein hinunter, seufzte erleichtert und entließ Roderick mit einer lässigen Bewegung seiner mageren Hand. Der verbeugte sich wortlos und verließ das Zimmer wieder, nachdem er das leere Glas an sich genommen hatte. Der Erzmagier und ich blieben allein zurück.
    »Das Alter bringt keine Freude mit sich«, murmelte Arziwus und hustete noch einmal in seine Hand. »Ich bin nun sechsundneunzig Jahre alt, Garrett. Die Jahre fordern ihren Tribut …«
    Ich hielt es für geraten zu schweigen. Nach meinem Dafürhalten war Arziwus auch nicht auf Schmeicheleien oder Versicherungen erpicht, wie blendend er aussah. Vor allem, da dem nicht so war.
    »Und weißt du, was am beschämendsten ist? Hier oben funktioniert alles tadellos, wie ein Mechanismus der Zwerge.« Arziwus tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. »Aber diese vermaledeite körperliche Hülle! Ständig friere ich, nur die Decken bringen Linderung, ein Feuer im Kamin oder Magie richten gar nichts aus. Bald wird meine Zeit kommen, ich spüre bereits, wie Sagra in meinem Rücken herumschleicht. Aber keine Bange, noch habe ich der Göttin des Todes etwas entgegenzuhalten.«
    »Ihr haben alle etwas entgegenzuhalten«, sagte ich. »Man darf diese Worte bloß nicht vergessen, wenn man ihr Auge in Auge am Tor des Lichts gegenübersteht.«
    »Oder des Dunkels.«
    »Oder das.«
    »Also gut.« Der Erzmagier warf mir einen weiteren aufmerksamen Blick zu. »Du behauptest also, du wüsstest nichts? Du seist unschuldig wie Jok, der den Winter brachte?« Der Alte trommelte mit den Fingern auf den Tisch, hing seinen Gedanken nach und wollte dann wissen: »Was hast du gestern Abend gemacht? Denk nach, bevor du mir antwortest, denn ich erkenne eine Lüge.«
    Wessen verdächtigte er mich? Des Diebstahls der magischen Schriftrolle? Aber für die hatte sich doch schon seit langen Jahren niemand interessiert. Seit langen Jahren? Ich bemühte mein Gedächtnis, um mich zu erinnern, wie die Rolle ausgesehen hatte. Wenn ich mich nicht irrte, war es die einzige Rolle gewesen, die nicht vor Staub gestarrt hatte. Deshalb hatte ich sie wohl auch ausgewählt. Aber wenn sie nicht staubig gewesen war, konnte sie auch noch nicht lange in der Bibliothek gelegen haben. Warum hatte man sie dann aber überhaupt dorthin gebracht? Hatte man sie versteckt? Um zu verhindern, dass jemand die Dämonen ins Dunkel zurücktrieb?
    Ich holte weit aus, doch der Erzmagier zeigte keine Ungeduld und unterbrach mich nicht, er zog bloß jedes Mal, wenn ich anfing, mich in unnötigen Einzelheiten zu ergehen, die buschigen Brauen zusammen. Irgendwann erzählte ich ihm doch etwas von der Schriftrolle, auch von der überraschenden Wirkung, nachdem ich es riskiert hatte, den Zauber gegen die Doralisser einzusetzen. All das interessierte den Alten aber überhaupt nicht. Die ungeteilte Aufmerksamkeit des Erzmagiers galt den Doralissern.
    »Wiederhol das! Was haben sie geschrien?«
    »Etwas wie: ›Gib uns unser Pferd zurück!‹«
    »Hast du in dieser Nacht noch einmal etwas von Pferden gehört?«
    »Nein.« Wuchjazz hatte zwar auch etwas von einem Pferd gefaselt, aber ich wollte sehen, ob der Erzmagier eine Lüge tatsächlich erkannte.
    »Gut.« Entweder war Arziwus mir nicht auf die Schliche gekommen oder er schenkte der offenkundigen Lüge keine Beachtung. »Die Rolle ist höchst faszinierend, vor allem da niemand aus dem Orden je von einem solchen Zauber gehört hat.«
    Der Alte erschauerte im Sessel, zog die Decke fester um sich und sah mich nachdenklich an. »Wo ist das Pferd?«, fragte er sanft.
    Nur stand in seinen farblosen Augen keinerlei Sanftmut!
    »Was zum H’san’kor für ein Pferd?«, polterte ich. Allmählich beschlich mich das Gefühl, halb Siala sei auf das Horn des Regenbogens, meinen Tod und obendrein auf irgendeinen stinkenden Gaul erpicht. »Was hab ich mit diesem Pferd zu schaffen?!«
    Der Erzmagier schwieg und zog die Brauen zusammen. »Du behauptest also, du habest das Pferd nicht aus dem Haus des Erzmagiers O’Stand gestohlen?«
    »Ist der völlig verrückt, einen Gaul im Haus zu halten?«, wunderte ich mich, eine direkte Antwort vermeidend.
    »Was heißt hier Gaul, Dieb?! Gestern Abend wurde aus dem Haus des Erzmagiers O’Stand, unseres Gastes aus

Weitere Kostenlose Bücher