Schattenwandler 01. Jacob
und streichelte sanft ihren Arm. Diesmal hatte Jacob nicht das Bedürfnis, seinen Besitzanspruch durchzusetzen, obwohl er fühlte, wie die Empathin eine immer engere Verbindung mit Isabella aufnahm. Er wusste, diese sich schnell entwickelnde Freundschaft kam daher, dass Legna außer ihm die Einzige war, die Bella gesehen und auf der Stelle gewusst hatte, was für ungewöhnliche Eigenschaften sie besaß. Die Geistdämonin, das war ihm klar, würde Bella eines Tages lieben.
In dem Moment begriff er, dass er niemals in der Lage sein würde, sich so weit von Isabella zu entfernen, wie es eigentlich nötig war. Allein der Gedanke erhitzte sein gesamtes Bewusstsein, sein Atem wurde heftig. Sie folgte ihm überall hin. Ihre Gegenwart umgab ihn wie eine elektrische Ladung. Er ließ seine Augen über ihren wohlgeformten Körper schweifen und blieb mit hungrigem Blick an ihr hängen. Er konnte es nicht verbergen. Obwohl er wusste, wie scharf er beobachtet wurde, konnte nichts dieses wachsende Verlangen nach ihr unterbinden.
„Jacob …“, sagte Legna plötzlich. „Jacob, du darfst nicht …“ Ihre Augen flackerten besorgt, und sie sah auf einen Punkt hinter seiner Schulter. Da begriff er, dass Noah wieder in den Raum getreten war. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um es zu wissen. Alle seine Sinne nahmen die eindrucksvolle Gegenwart des Dämonenkönigs wahr. Seinen rauchigen Duft, das Rascheln seiner Kleidung, die er inzwischen angezogen hatte, die Autorität, die von ihm ausging, selbst wenn er nichts tat. Isabella sah Jacob an, während Legna zu ihm sprach. Das Blitzen ihrer veilchenfarbenen Augen im Gaslicht traf ihn wie ein Pfeil direkt ins Herz. Wie war das möglich? Wie konnte eine Menschenfrau in ihm ein Gefühl erzeugen, von dem er geschworen hätte, dass er so etwas niemals empfinden würde? Sie wühlte ihn im tiefsten Innern auf, und dabei tat sie nichts, sie sah ihn einfach nur an.
„Legna?“, fragte Noah behutsam.
„Jacob ist …“
„Jacob …“, erwiderte der Vollstrecker scharf, während seine Augen den weiblichen Dämon in Schach hielten und sein sinnlicher Mund ganz schmal wurde, „… geht es gut. Denk dran, Kleine, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem, was ich fühle, und dem, was ich tue. Meine Selbstbeherrschung geht weit über das hinaus, wozu ihr in der Lage seid. Also denkt bloß nicht, dass ihr mich in Schach haltet. Keiner von euch.“
Isabella entging nicht, dass Jacobs Hinweis auf Legnas Alter eine Beleidigung sein sollte. Die Wangen der hübschen Frau färbten sich rot, sie ballte ihre eleganten Hände zu Fäusten. Isabella seufzte, verdrehte die Augen und stemmte die Hände in die Hüften.
„Okay, das reicht. Jeder zurück in seine Ecke. Himmel noch mal. Wenn ich gewusst hätte, dass ich daran schuld sein könnte, wenn sich drei so intelligente Freunde gegenseitig an die Kehle gehen, wäre ich niemals über diese Schwelle getreten.“ Sie deutete auf die riesige Eingangstür am anderen Ende der Großen Halle. „Oder …“, sie zögerte kurz, dann blickte sie zur gegenüberliegenden Seite des Saals, wo es ebenfalls eine Tür gab, „… über diese Schwelle.“
Jacob musste lächeln, und er räusperte sich. Mit diesem Geräusch zog er absichtlich ihre Aufmerksamkeit auf sich, und er blickte über seine Schulter zu einem der Buntglasfenster, das im unteren Teil ein kleines Kippfenster hatte, das immer offen stand.
„ Diese Schwelle?“, fragte Isabella mit vor Überraschung hoher Stimme. Er spürte, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte, und er fand es schlimm, dass er fast laut herausgelacht hätte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie, wenn er lachen würde, noch gefährlicher für ihn werden würde als Noah.
Legna hingegen besaß diese Selbstbeherrschung nicht. Sie konnte ein Kichern nicht unterdrücken und schlug dann schnell eine Hand vor den Mund, als Bella herumwirbelte und sie empört anfunkelte.
„Es tut mir wirklich sehr leid“, murmelte sie. „Es ist ihre Schuld.“
Die Empathin deutete auf ihren Bruder und seinen Vollstrecker, und Bella konnte sehen, dass hinter ihrer stoischen Miene der Schalk in ihren Augen blitzte. Isabella grinste, senkte den Blick auf das Muster des Marmors am Boden und beide begannen zu lachen.
Jacobs Anspannung der letzten paar Stunden löste sich mit dem Lachen. „Geh schon, Bella, Legna nimmt dich mit, damit du deine Schwester anrufen kannst“, sagte er, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Aber bleib nicht
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