Schattenwandler 02. Gideon
tragen, was ihr gehört“, erklärte Legna in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Die Anweisung amüsierte ihn. Er hatte nicht vorgehabt, den Ring zu tragen. Er war für den Dämon bestimmt, den Noah als Botschafter an Sienas Hof entsandte, und das würde ganz bestimmt nicht er sein.
„Eifersüchtig, Neliss ?“, zog er sie auf, während er eine Hand um ihren Nacken legte und sie wieder an sich zog. „Es passt gar nicht zu dir, dass du dich in solchen kleinlichen Gefühlen ergehst.“
Legna runzelte die Stirn und wehrte sich dagegen, dass er sie näher an sich zog.
„Du findest meine Gefühle kleinlich?“, wollte sie wissen. „Meinst du damit nur meine Eifersucht oder alle meine Gefühle?“
Gideon war nicht nach Hause gekommen, um sich wieder zu streiten, auch wenn es nur verbaler Schlagabtausch sein würde. Er hätte nicht gedacht, dass Legna sich so albern und besitzergreifend verhalten würde. Sonst war sie doch auch immer so vernünftig. Gerade weil sie so intelligent war, passte sie so gut zu ihm.
„Oh, ich verstehe“, zischte sie plötzlich leise, und ihr Körper versteifte sich. „Und ich nehme an, mein ganzes Verhalten kommt dir kindisch und irrational vor.“
„Natürlich“, erwiderte er ungeduldig. „Wenn ich mich so benehmen würde, würdest du mich dann nicht auch für albern und irrational halten?“
„Albern! Jetzt bin ich also albern?“ Magdelegna entwand sich ihm und wich zurück. „Ich habe schon verstanden“, keuchte sie wütend. „Du denkst immer noch, ich bin ein Kind, und das nach allem, was wir einander gesagt haben! Für dich ist das alles nur ein kleiner Anfall von Trotz!“ Ihre quecksilberfarbenen Augen loderten vor Zorn, während sie ihn von Kopf bis Fuß verächtlich musterte. „Ich habe wenigstens Gefühle! Ich bin wenigstens normal, und ich habe ein fühlendes Herz, das mich durchs Leben trägt!“
„Du meinst, du gibst einfach deinen Launen nach“, entgegnete er scharf. „Gerade konntest du es gar nicht mehr erwarten, mich in die Arme zu nehmen, und jetzt stößt du mich zurüc k … Bloß aus irgendeiner Laune heraus. Sag mir, Legna, was hast du davon? Merkst du denn nicht, dass durch so ein Verhalten Kriege entstehen können? Ein kleiner Temperamentsausbruch, und ehe man sich’s versieht, wird eine Kettenreaktion in Gange gesetzt. Aale dich darin, wenn du das brauchst. Aber lass mich damit in Ruhe!“
„Du aufgeblasener, selbstgerechter Idiot!“, stieß sie hervor. Ihr Gesicht war rot und bildhübsch in ihrem Zorn, sodass Gideon beinahe davon abgekommen wäre, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen. Er erkannte, dass sie bis zu einem gewissen Grad machtlos war gegen ihre Emotionalität. Schließlich war sie Empathin, und es waren nun einmal Gefühle, mit denen Empathen es hauptsächlich zu tun hatten. Trotzdem würde sie lernen müssen, sich zu beherrschen, sonst konnte das mit ihnen beiden nicht funktionieren. „Natürlich“, bemerkte sie sarkastisch als Antwort auf seine Gedanken, „liegt die Schuld bei mir. Ich bin das Kind, und du bist der Urälteste. Du kannst dich natürlich gar nicht irren.“
„Legna“, sagte er streng.
„Lass uns die Theorie mal empirisch testen, einverstanden?“, entgegnete sie mit zornig funkelnden Augen. „Zeig es mir. Zeig mir, was deine allmächtige Selbstbeherrschung bringt, Gideon. Die Fähigkeit, mit meinem Herzen zu sehen, hat mir zu einer liebevollen Familie verholfen, zu guten Freunden und dazu, dass ich anderen beistehen kann, wenn sie mich brauchen. Hat deine kalte, mitleidlose Art dir auch so etwas gebracht? Wo ist deine Familie? Wo sind deine Freunde? Ach ja, du hilfst anderen und übst ungeheure Macht aus, Urältester, aber interessiert es dich, ob du Erfolg hast oder scheiterst? Interessiert es dich, ob deine Patienten leben oder ob sie sterben?“
„Natürlich interessiert mich das!“, knurrte er und richtete sich instinktiv auf, um sie einzuschüchtern, während sie Salz in die Wunden auf seiner Seele streute. „Wirf mir ja nicht Gefühllosigkeit vor, wenn es um meine Patienten geht, Magdelegna. Du hast keine Ahnung, was ic h … “ Gideon brach ab, bevor er den wütenden Satz beenden konnte. Er ballte die Fäuste und versuchte, tief durchzuatmen, um sich zu beruhigen.
„… fühle?“, beendete sie den Satz für ihn. „Du hast verdammt recht, ich habe keine Ahnung, was du fühlst! Du lässt es mich ja nicht wissen! Nicht einmal vor dir selbst lässt du es zu! Sag mir, Gideon,
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