Schattenwandler 03. Elijah
angemessene Strafe.
Elijah erinnerte sich an den Geruch, der ihr angehaftet hatte, nach dem Blut ihrer Beute und dem Adrenalin ihres Sieges. Er konnte sich noch lebhaft daran erinnern, weil er noch nie eine so schnelle und heftige Erektion erlebt hatte wie in diesem Moment. Das Blut hatte gebrodelt in seinen Adern, die Freude und die Genugtuung über den Sieg hatten ihn geritten wie eine verruchte Geliebte, und der Blick aus den goldenen Augen einer Kriegerin, die gerade ihren Gegnern an die Kehle gegangen war, hatte einen lustvollen Schauer über seinen Körper gejagt. Es war, als würde sie mit ihren Händen über sein nacktes Fleisch streichen, entschlossen, geschickt und kühn.
Dann hatte sie zu ihm gesprochen, ohne sich darum zu scheren, welche Wirkung sie auf ihn hatte, und sie hatte etwas gesagt, was ihn seitdem fast Tag und Nacht verfolgte.
Er hatte gesagt, dass er ihr misstraute – ein unvermittelter Ausdruck seiner Verwirrung –, und sie hatte geantwortet:
„Ich würde dich für einen vollkommenen Dummkopf halten, wenn du mir kein Misstrauen entgegenbringen würdest, Krieger. Doch so muss ich deine ungewöhnliche Intelligenz respektieren. Was also denkst du, sollte ich jetzt tun?“
Mit diesen Worten hatte sie ihre moralische Überlegenheit bewiesen. Während er an seinen Vorurteilen und an seiner Feindseligkeit festhielt, hatte sie erneut ihre Vorstellung von Frieden und ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, ihn wertzuschätzen als den, der er war. Sie hatte ihn erniedrigt, indem sie sich selbst erniedrigte, und er konnte das nicht vergessen.
Sie hatte ihn beschämt, ihn wütend gemacht, ihn erregt und ihn verwirrt. – Eine Flut von Gefühlen übermannte ihn, und sie waren so übermächtig, dass er zunächst nicht erkannt hatte, dass es seine eigenen waren. Und vor einer knappen Stunde war es wieder so gewesen. Aber dieses Mal war er im Nachteil gewesen. In seiner Verwirrung und in seiner Schwäche hatte Elijah ihr, als sie so schön und so verführerisch unter ihm gelegen hatte, zu sehen erlaubt, was er monatelang so eifrig vor jedem verborgen hatte, auch vor sich selbst.
Siena war ein verwegenes Geschöpf, überaus selbstsicher und fast frech in Situationen, die jedem anderen ein gesundes Maß an Angst eingeflößt hätten. Sie musste nie etwas im Nachhinein bereuen, und falls das doch einmal vorkam, würde sie es sich sicher nicht anmerken lassen. Darum berührte es ihn zutiefst, dass sie nichts dazu sagte, wie grob er sie behandelt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie auf irgendeine alberne weibliche Art schmollte.
Nein.
Das war das Schweigen eines weiblichen Raubtiers, das seinen Stolz hegte und einen höheren Zweck verfolgte und deswegen nicht dem Drang nachgab, ihm das Genick zu brechen. Er musste daran denken, wie viel Selbstbeherrschung sie gezeigt hatte, als er ihre weiche, verletzliche Kehle mit der Hand umklammerte.
Elija wusste, dass er in ihrem Volk als Schlächter von Männern, Frauen und Kindern berüchtigt war. Natürlich waren die schlimmsten Geschichten, die über ihn in Umlauf waren, ziemlich übertrieben, wie es immer der Fall war, wenn man einen Krieg aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtete. Aber warum war sie so ruhig gewesen, so still, als er die Oberhand gehabt hatte? Ihrem Instinkt zu widerstehen und sich nicht zu verteidigen und zurückzuschlagen musste fast unerträglich gewesen sein für sie und erforderte eine ungeheure innere Stärke. Und die absolute Unterordnung unter die Sache des Friedens, dem sie bedingungslos zu dienen schien.
Während er darüber nachgrübelte, rieb sich Elijah die schmerzende Brust, die schon am Abheilen war. Es war gefährlich, sie als etwas anderes zu sehen denn als ebenbürtige Gegenspielerin. Schon morgen konnte sie seine Feindin sein. Lykanthropen wechselten Freund und Feind schnell. An einem Tag herrschte Krieg, am nächsten schon Frieden, dann schlug alles wieder um in brutalen Krieg.
Der Krieger spürte den rauen Rand des Verbandes über der Wunde an seiner Brust und blickte hinab. Sein Herz schlug augenblicklich schneller, als er die verräterische Haarlocke sah, die seine Heilung unterstützte. Als er den Blick zu Siena hob, sah sie ihn schicksalsergeben an.
„Was hast du getan?“, fragte er heiser, und er zitterte am ganzen Körper vor Entrüstung.
„Ich hatte keine andere Wahl, Krieger. Es tut mir leid, aber es tut mir nicht leid, dass ich dir das Leben gerettet habe. Zumindest noch nicht.“ Sie
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