Schattenwandler 03. Elijah
bin ich daran gewöhnt.“
Elijahs Haut bekam wieder Farbe, während sein Spender allmählich blass wurde. Trotz ihrer Ungehaltenheit war Bella zur Stelle, um ihren geschwächten Mann zu einem Sessel im Schlafzimmer zu bringen.
Nachdem er die unmittelbare Gefahr, dass sein Patient verblutete, gebannt hatte, begann Gideon, die Wunde selbst zu heilen. Er presste seine Hände auf das zerfetzte Fleisch und konzentrierte sich ganz auf seine Aufgabe. Elijah spürte das merkwürdige Gefühl, wie sich tief in seiner Brust etwas spannte und dehnte, das vom Zusammenwachsen der Gewebefasern herrührte.
„Du musst mir ganz genau erzählen, wie du es geschafft hast, so lange mit so einer Wunde zu überleben. Sie ist erst halb verheilt. Man sollte annehmen, dass du vernünftig genug bist, an Ort und Stelle zu bleiben, bis …“
Gideon brach plötzlich ab und runzelte seine silbernen Brauen, während er mit schräg gelegtem Kopf die auf ihn einströmenden Eindrücke zu ordnen versuchte. Als er Elijah dann mit seinen scharfen quecksilberfarbenen Augen direkt ansah, wusste der Krieger, dass der Urälteste irgendwie ahnte, was in den vergangenen Tagen geschehen war. Aber zu seiner Erleichterung beließ der Arzt es dabei, fragend eine Braue hochzuziehen. Das war alles.
Gideon widmete sich wieder seiner Aufgabe, ohne noch ein Wort zu sagen.
7
Siena ging langsam im Thronsaal auf und ab, die Arme verschränkt, und kaute auf der Unterlippe. Sie dachte intensiv darüber nach, was sie vor Kurzem erlebt hatte. Ihre vage Hoffnung, in so etwas wie Normalität zurückkehren zu können, war in dem Augenblick zunichtegemacht worden, als sie sich den überfüllten Empfangsräumen vor ihrem Thronsaal näherte. Sie wusste, dass sie den prüfenden Blicken nicht standhalten konnte; dass sie verrückt werden würde, wenn sie versuchte, dieses Geheimnis vor ihren Untertanen zu verbergen. Deshalb nahm sie einen kaum bekannten und nur selten benutzten Weg zu ihrem Schlafzimmer. Da ihre Rückkehr nicht, wie sonst üblich, bekannt gegeben worden war, erwartete niemand sie dort. Daher konnte sie sich unbemerkt ankleiden und weitere Maßnahmen ergreifen, damit niemand etwas erfuhr.
Auf ihren Befehl hin waren der Thronsaal und die äußeren Empfangsräume geräumt worden. Als dieser Befehl mit dem Argument, das sei nicht üblich, auf Widerstand gestoßen war, hatte sie ihm mit einem tiefen, verärgerten Knurren Nachdruck verliehen. Siena wusste, dass auch ihr Gewand, ein Kaftan aus aquamarinblauer Seide, Befremden hervorrief, weil ihr der glänzende Stoff bis zu den Knöcheln reichte und ihr Kopf mit einer Kapuze bedeckt war.
Aber sie war die Königin, und es war ganz klar, dass sie keine Fragen und kein Zögern gegenüber einem ihrer Befehle dulden würde. Sie schickte ihre Hofdamen und ihre Gefährtinnen weg, alle Zofen und Ratgeberinnen; nur die beiden Frauen, die in einer dunklen Ecke des Saales standen und ihre Bewegungen beobachteten, durften bleiben.
Siena genoss ihr Leben am Hof und ihre Stellung sehr. Es war nicht ihre Art, sich so abzuschotten. Sogar ihre Wachen mussten vor der Tür bleiben, statt drinnen Posten zu beziehen.
Siena versuchte sogar, ihre Gedanken aus dem Thronsaal zu verbannen, wo sie so hastig und so erregt auf und ab ging.
Syreena beobachtete ihre Schwester, wie sie auf und ab ging, und ihr zweifarbiges Gesicht spiegelte die ratlose Irritation wider, die sie empfand, seit sie die Königin in einer äußerst kompromittierenden Umarmung überrascht hatte – und dann noch ausgerechnet mit dem Schlächterdämon. Mit dem Mann, der ihren Vater umgebracht hatte. Die Tat des Kriegers war für Syreena zwar eher ein Gefallen als ein Frevel gewesen, und ebenso empfanden es ihre Schwester und auch noch viele andere, aber die eine Tat, die etwas Gutes gehabt hatte, konnte die vielen Tausend anderen im Laufe der Jahrhunderte begangenen Untaten nicht aufwiegen. Es gab keinen Stamm unter ihnen, der durch den Schlächterdämon nicht jemanden verloren hatte. Siena musste vollkommen von Sinnen sein, dass sie so einen Mann als Gatten gewählt hatte.
Es war ohnehin schon sehr erstaunlich, dass sie überhaupt beschlossen hatte, sich zu verbinden. Obwohl es vieles gab, was Syreena nach ihrem einhundertdreißig Jahre dauernden Aufenthalt im Kloster The Pride nicht über ihre Schwester wusste, kannte sie Siena als eine Frau, die sich nicht nur damit brüstete, dass sie alles unter Kontrolle hatte, sondern vor allem damit, dass sie ganz
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