Schattenwandler 03. Elijah
zusammenreißen, dass ihr nicht vor Schreck der Kiefer herunterklappte, aber es gelang ihr, diesem Drang zu widerstehen.
Hastig erzählte Siena ihnen, was geschehen war, und ging dabei mit der sprungbereiten Energie von jemandem auf und ab, der darauf brennt, den Kampf aufzunehmen. Sie tat das natürlich nur Anya zuliebe. Syreenas Miene blieb unbeteiligt, auch als die zusammengekniffenen schwarzen Augen des Halbbluts sie misstrauisch musterten.
„Ich habe beschlossen, mich gegen diese angebliche Zwangsläufigkeit zu wehren. Syreena, du berätst dich mit The Pride. Bestimmt finden die großen Gelehrten dort einen Weg, die Folgen rückgängig zu machen. Sagen und Prägung hin oder her, es kann nicht sein, dass alles in der Hand von Geschichtenerzählern und von diesem Schicksal liegt, auf das die Dämonen so stolz sind. Sag ihnen, dass sie nur vier Tage Zeit haben. Mach ihnen klar, dass mir sehr an einem Mittel gegen den verhängnisvollen Verlauf der Dinge gelegen ist. Ich glaube, dass sie mir zustimmen müssen, wenn sie erfahren, wer ihr König wird, falls sie versagen. Und komm nicht eher wieder, als bis du ihr ganzes Wissen und ihre ganze Verstandeskraft restlos ausgeschöpft hast.
Anya, du bringst mir die Mistralin namens Windsong her. Sie wohnt in einem Pariser Vorort namens Brise Lumineuse, und du müsstest sie dort finden. Sie hat ein bisschen Scheu vor der Fremde und wird ihr Heimatland nicht verlassen wollen, aber du musst sie in meinem Namen bitten herzukommen. Mir zuliebe wird sie das tun.“
Die Königin hielt inne und rieb sich die Schläfen. Es war zu spüren, dass sie unter starkem Stress stand. Siena hatte ihre Herrschaft bisher immer selbstbewusst und geradlinig ausgeübt. Stress und Zweifel bestimmten nie ihre Entscheidungen.
Bis jetzt.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Anya und verzog irritiert das Gesicht. „Was willst du denn mit einer Ausländerin? Was könnte eine Mistralin tun?“
Siena richtete ihre goldenen Augen auf ihre Elite-Generalin.
„Es ist nicht an Euch, zu fragen, warum, Generalin. Ihr habt mir bedingungslos zu gehorchen. Geht, geht jetzt, oder ich suche eine andere, die besser dazu geeignet ist, meine Befehle auszuführen!“
Anya hatte ihre Königin in ihrem ganzen Leben noch nie so schroff erlebt. Wenn sie nicht darauf gedrillt gewesen wäre, Befehle automatisch auszuführen, hätte sie vielleicht ganz leicht gezögert, was eine verheerende Wirkung auf ihre Karriere gehabt hätte. Stattdessen machte sie sich sofort auf, um dem Befehl der Königin Folge zu leisten. Sie würde es nun Syreena überlassen, mit Siena umzugehen, der Einzigen, die nicht aus einer üblen Laune heraus vom Hof verbannt werden konnte.
Sobald Anya gegangen war, wandte sich Syreena zu ihrer Schwester hin.
„Siena, ich brauche gar nicht erst zu The Pride zu gehen, das weißt du genauso gut wie ich. Sie werden unter gar keinen Umständen das Treueverhältnis brechen, das sie seit Tausenden von Jahren haben.“
„Vielleicht. Aber du wirst gehen und es versuchen.“
„Wenn ich das tue, dann erfahren sie, was du getan hast. Und nachdem sie mich abgewiesen haben, werden sie verlangen, dass du deinen Partner mit auf den Thron holst, Siena, egal, um wen es sich dabei handelt. Dir wird die Zeit knapp.“
„Wenn ich das hier nicht vor Samhain löse, wird mir die Zeit sowieso knapp.“
Siena schien plötzlich in sich zusammenzusinken. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und versuchte, die Gefühle zu verdrängen, die sie übermannten. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann ging sie unvermittelt zu ihrem Thron und setzte sich, weil sie keine Minute länger stehen konnte.
„Gute Göttin, was habe ich getan?“, sagte sie heiser, faltete ihre zitternden Hände und presste sie zwischen die Knie. „Syreena, ich kann das nicht. Ich kann mich nicht einem Mann unterwerfen. Noch dazu so einem Mann! Er ist durch und durch Krieger. Seine ganze Welt ist nichts als Krieg und Intrige!“
„So wie bei Anya“, betonte Syreena. „Und trotzdem nimmt sie einen besonderen Platz in deinem Leben und in deinem Herzen ein.“
Siena lachte freudlos und nickte zustimmend, während ihr eine Träne über die Wange lief.
„Und glaubst du auch nur eine Sekunde lang, dass ich so etwas in den Armen eines Dämons finden könnte? Die Art, wie ich Anya behandle, hat dazu beigetragen, das Stigma von Mischlingen aus der Welt zu schaffen. Ist das auch so, wenn ich den Krieger in mein Bett hole und ihm vielleicht
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