Schattenwandler 03. Elijah
sogar einen Platz in meinem Herzen gebe? Wird das hier“, sagte sie und zog ihre Halskette aus der Tasche, „darüber entscheiden, wen ich lieben muss? Wird Gold und Mondenschein und ein verfluchter Zauber darüber bestimmen, wer dieses Land regiert, wenn ich sterben sollte? Ich will, dass du das bist, Syreena. Eine Frau. Eine Frau muss diese Gesellschaft in die Zukunft führen. So war es bestimmt. Darum wird der Thron der ältesten Tochter übergeben, nicht dem ältesten Sohn.“
„Keine Frau kann wirklich wissen, was sie tun muss, um ein Land zu regieren, wenn sie nicht weiß, was Liebe ist. Was es heißt, für ein Kind zu sorgen. Einen Partner als gleichwertig zu betrachten.“
„Bis jetzt hab ich alles ganz gut hinbekommen“, fuhr Siena sie an.
„Wirklich? Was die Gesetze betrifft und den Hof, bist du sehr eigen. Du verdammst Vater wegen seines Fanatismus, und du verurteilst unser Volk wegen des gleichen Verhaltens, aber schau dich doch selber an!“
Syreena ging zum Thron und setzte sich zu Füßen ihrer Schwester nieder. Sie nahm Sienas kalte, zwischen den Knien ruhende Hände.
„Ich habe bei Gericht erlebt, wie voreingenommen du bist; du hast dich öfter auf die Seite der Frau geschlagen als auf die des Mannes. Und wenn es um zwei Männer geht, bist du nicht so geduldig und so aufmerksam. Du bemühst dich. Ich weiß, dass du dich bemühst“, meinte sie tröstend, als Siena den Blick von ihr abwandte, weil sie ihrer Schwester nicht in die Augen sehen konnte. „Du hast ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Aber du bist genau wie wir alle ein Produkt deiner Lebensumstände. Du bist eben, ich finde kein besseres Wort, auch nur ein Mensch.“
Aus irgendeinem Grund musste Siena darüber lachen.
„Manchmal wünschte ich, es wäre so. Ich sage dir, Syreena, ab und zu beneide ich Anya. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Mischwesen aus Tier und Frau. Sie kämpft nicht so mit ihren beiden Hälften … drei Hälften …“ Sie lachte wieder, als auch ihre Schwester lachte.
„Fünf Hälften?“, bot Syreena an.
„Ja“, nickte Siena, beugte sich zu ihrer Schwester hinunter und zog ihre miteinander verschränkten Hände an die Lippen. „Ja, das stimmt. Ich jammere momentan viel, aber es stimmt, wenn man sagt, dass es immer jemanden gibt, der noch ein größeres Problem hat als man selbst. Du musstest dein ganzes Leben lang aushalten, dass du in viele verschiedenartige Teile aufgespalten bist.“
„Ich habe es unter einer Glasglocke ausgehalten, Siena. Das Kloster ist nicht die reale Welt. Du hast in der realen Welt gelebt, du bist unserem Vater aus dem Weg gegangen und hast dich ferngehalten von den Dingen, die du immer mehr verabscheut hast, einschließlich seinen Mordversuchen, nachdem er erfahren hat, dass du eine ganz andere Einstellung gegenüber den Dämonen hast als er. Schwer zu sagen, wer von uns beiden das härtere Leben hatte. Das hieße, Äpfel mit Birnen vergleichen.“
„Oder Katzen mit Hunden“, stimmte Siena ihr zu.
„Oder Dämonen mit Lykanthropen“, brachte Syreena hervor. „Obwohl ich nach dem, was ich von dir gehört habe, annehme, dass wir gar nicht so verschieden sind, wie wir vielleicht denken. Und wenn jemand die Kluft schließen kann, dann bist du das. Man verehrt dich, liebe Schwester, denk daran. Du hast nie einen Hehl daraus gemacht, dass du dem Volk des Kriegers aufgeschlossen gegenüberstehst. Vielleicht ist unser Volk ja überraschenderweise bereit, diese tolerante Haltung zu übernehmen.“
„Vielleicht – wenn ich es wenigstens selbst akzeptieren könnte. Aber wenn es mir so schwerfällt …“
„Hier geht es für dich um mehr als darum, welchem Volk dein potenzieller Ehemann angehört, Siena. Um viel mehr.“
Siena nickte. Sie konnte vielleicht sich selbst belügen, aber nicht die anderen, dazu war sie zu ehrlich.
„Du hast natürlich recht. Würdest du mir einen Gefallen tun, Syreena?“
„Anya zurückholen und ihr sagen, dass es dir furchtbar leidtut?“
Siena nickte lachend.
„Und die dämonischen Botschafter?“
„Oh … Verdammt!“
„Keine Angst, meine Königin. Ich werde mich darum kümmern. Und deine Wächter werden nichts herumerzählen. Das ist nicht ihre Art.“
„Meinst du, dass sie meinen Befehl gleich ausgeführt haben?“
„Es würde mich nicht wundern, wenn sie erst noch abwarten, ob ihre ungewöhnlich temperamentvolle Herrscherin nicht wieder zur Vernunft kommt. Aber darum kümmere ich mich als Erstes. Ich habe
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