Schattenwandler 03. Elijah
sowieso den Verdacht, dass Anya herumtrödelt beim Packen.“
Syreena erhob sich und beugte sich vor, um ihrer Schwester, die inzwischen viel ruhiger geworden war, einen Kuss auf die Wange zu geben, bevor sie deren Hände losließ.
„Wir werden eine Lösung finden, Siena“, versprach sie. „Wir drei zusammen. Genauso wie die Dreifaltigkeit der Göttinnen – Weisheit, Natur und Stärke, in Harmonie vereint.“
Die Prinzessin wandte sich um und entfernte sich, um ihre Aufgaben zu erledigen, und ließ Siena in dem verlassenen Thronsaal zurück. Nun musste die Königin versuchen, alles abzustimmen, was sie von nun an zu bedenken hatte.
„Okay, Elijah, wenn das einer von deinen Witzen ist, dann rück lieber gleich raus damit.“
Elijah sah mit ernsten dunkelgrünen Augen zu seinem König auf und machte Noah mit einem einfachen Blick klar, dass er nicht scherzte.
„Ich hatte schon Angst, dass du es nicht sagen würdest“, seufzte Noah. Er setzte sich und rieb sich wieder die pochenden Schläfen. „Siena. Von allen Frauen auf dieser großen, weiten Welt muss es ausgerechnet Siena sein!“
„Komisch, das habe ich auch gedacht“, bemerkte der Krieger und stellte das Glas mit exotischer Tigermilch auf den Tisch. Dann wandte er sich um und blickte ins Feuer, in das Noah immer stundenlang starrte, wenn er sich über etwas klar werden wollte.
„Du wirst etwa ein halbes Dutzend Gesetze brechen, wenn du das tust.“
„Hast du vor, Jacob auf mich anzusetzen?“
„Nein. Aber ich muss es ihm sagen“, bemerkte der König. „Und dann muss ich es dem Rat mitteilen.“
„Wieso wusste ich nur, dass du das sagen würdest?“, fragte Elijah seufzend. „Eine schöne Vorstellung, dass mein Privatleben vom Rat durchgekaut wird.“
„Sei froh, dass du viele Freunde im Rat hast. Und mit Jacob, Gideon und mir auf deiner Seite wird es kein Problem geben. Aber es würde als Vetternwirtschaft betrachtet werden, wenn ich selbst die Entscheidung treffen würde, und ich will nicht, dass herumstänkernde Räte dir wegen dieser Sache noch mehr zusetzen, als du es selbst schon tust.“ Noah verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Wenn ich während unserer kurzen Bekanntschaft irgendetwas über Siena gelernt habe, dann dass sie im Zweifelsfall ausgesprochen stur sein kann. Mein Freund, dir steht noch eine ziemlich heftige Schlacht bevor.“
„Dann ist es wohl gut, dass ich dein erfahrenster Krieger bin, oder?“, gab Elijah zurück, und ein draufgängerisches Lächeln umspielte seine Lippen.
„Weißt du, ich habe den Eindruck, du genießt das irgendwie ein bisschen“, meinte Noah argwöhnisch.
„Weißt du, ich glaube, du hast recht“, gab Elijah zurück. „Und zwar in verschiedener Hinsicht, Noah.“
„Hm, irgendwie bezweifele ich das nicht. Sie ist … eine bemerkenswerte Frau.“
Mehr sagte Noah nicht, um nicht Kopf und Kragen zu riskieren, weil er zu gewagte Spekulationen über die Partnerin eines anderen Mannes anstellte. Im Laufe dieses Jahres hatte er zur Genüge erlebt, dass mit einer Prägung manchmal eine heftige Eifersucht einherging. Und auch wenn sie Freunde waren, Elijah war kein Mann, mit dessen negativer Seite er näher Bekanntschaft machen wollte.
„Und jetzt reden wir bitte über die Sache mit diesen verruchten Frauen“, wechselte er schnell das Thema, „und darüber, was genau du gegen sie zu tun gedenkst.“
„Ich? Es ist Jacobs Aufgabe, unsere Leute zu überwachen. Die Aufgabe von Jacob und Bella.“
Doch Noah ließ sich nicht davon beirren, dass Elijah die Frage so beiläufig von sich wies.
„Und ich nehme an, dir ist nie in den Sinn gekommen, es ihnen mal ein ganz klein bisschen heimzuzahlen, was sie dir angetan haben?“, fragte der König wissend.
„Na ja, jetzt, wo du es sagst …“
9
Siena schritt langsam durch die Gänge ihres Schlosses. Die Steinmauern und die Decken waren vor einer Ewigkeit kunstvoll von Steinmetzen behauen und verziert worden. Jede neue Herrscherin residierte in einem neuen Flügel und hatte ihn mit Kunstwerken ausstatten lassen, die sie für repräsentativ hielt und mit denen sie sich dort verewigte. Es dauerte ein ganzes Leben lang, bis der Gestaltungsprozess vollendet war, aber es war faszinierend zuzusehen, wie die Steinmetze Jahr für Jahr mit ihren Ausschmückungen vorankamen.
Dieser erfreulichen Tradition verdankte sie es, dass sie nicht in denselben Gemächern schlafen musste, in denen ihre Mutter gestorben war und wo ihr Vater seine
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