Schattenwandler 04. Damien
gewesen war, dass sie ihrer Schwester nicht mehr zugehört hatte.
„Tut mir leid, was hast du gesagt?“
„Ich habe gefragt, ob etwas dir Sorgen macht“, sagte Siena. Sie hatte das Stirnrunzeln und die Verwirrung in den harlekinartigen Zügen ihrer Schwester bemerkt.
„Nichts Außergewöhnliches“, wehrte diese ab, und es war, als würde sie mit dem Zurückwerfen ihres Haars ihre Gedanken verscheuchen wollen.
Doch Siena ließ sich nicht täuschen. Lykanthropenhaar war ein lebendiger Körperteil, der durchblutet war und beweglich und von Nervensträngen durchzogen. Syreenas Kopfbewegung entsprach dem Aneinanderreiben der Hände, wenn man die Kälte vertreiben wollte.
„Dann erzähl mir das Gewöhnliche“, forderte Siena sie sanft auf, fasste sie am Arm und führte sie weiter in das Höhlenschloss hinein.
„Ich habe mich nur gefragt, ob ich der Aufgabe gewachsen bin, die du mir übertragen willst“, log Syreena. „Du schickst mich sehenden Auges in möglicherweise unruhiges Fahrwasser. Ich bin es eher gewöhnt, solche Konfliktsituationen zu vermeiden. Und ich bin besser dazu geeignet, dir Ratschläge zu geben, damit du selbst oder andere den Konflikt austragen.“ Siena lachte, während Syreena unsicher grinste. „Vielleicht tut es mir ja gut“, sagte Syreena ein wenig fröhlicher. „Es dämpft vielleicht meine Bereitschaft, andere den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen.“
„So spricht ein wahrer Philosoph, stets hungrig nach neuen Erkenntnissen.“ Siena schwieg einen Moment, während sie zu Syreenas Gemächern abbogen. „Bist du glücklich, Schwesterherz?“
Syreena blieb stehen und sah die Königin überrascht an. „Natürlich bin ich das. Zweifelst du daran, dass ich mich am Hof eingewöhnt habe?“
„Nein. Es hat eine Weile gedauert, aber du bist dem Hofleben und der Verantwortung ziemlich gut gewachsen. Aber das habe ich nicht gefragt. Ich will wissen, ob du glücklich bis t … du. Tief drinnen.“
Syreena lächelte Siena an, hakte sich unter und zog sie weiter.
„Ich bin nicht so glücklich wie du“, spottete sie. „Ich habe keinen gut aussehenden Ehemann, der mich jede Nacht beglückt und auch am Morgen, wie man mir erzählt hat.“
Siena warf den Kopf zurück und lachte vergnügt, auch wenn sie leicht errötete.
„Verdammt, manchmal hasse ich es, Königin zu sein! Ich kann nicht mal zur Toilette gehen, ohne dass jemand es zur Kenntnis nimmt.“ Verlegen zupfte sie an ihren goldenen Locken. „Ich glaube, meine Dienstboten berechnen schon meinen Zyklus in Erwartung eines Erben.“
„Sollte ich das auch tun?“, fragte Syreena schelmisch.
„Nein“ kicherte Siena. „Also bitte. Ich halte mich von Elijah fern, wenn die fruchtbaren Tage kommen. Ein paar Jahre auf jeden Fall.“
„Ha! Das will ich sehen. Elijah scheint mir nicht einer zu sein, der zwei Wochen lang auf eine schwer erkämpfte Trophäe verzichten würde, auch wenn es nur zweimal im Jahr ist. Und du hast als Ehefrau noch nie eine fruchtbare Phase durchlebt. Es ist ja schon schwer genug, sich vom anderen Geschlecht fernzuhalten, wenn man keinen Partner hat. Aber ich habe gehört, mit einem soll es fast unerträglich sein.“
„Und trotzdem bin ich entschlossen, es durchzuhalten. Elijah und ich müssen uns erst aneinander gewöhnen, bevor wir Kinder in die Schlacht schicken.“
„Wie sehr meine Frau es doch liebt, alles als Krieg zu betrachten.“
Siena und Syreena blieben unvermittelt stehen, als ihnen die spöttische Bemerkung mit einer plötzlichen Brise entgegentönte. Mit einem Lidschlag verwandelte sich der Dämonenkrieger von Wind in Fleisch und Blut und stand mit der Selbstsicherheit eines übermütigen, kraftvollen Wesens vor ihnen. Er war ein Riese von einem Mann, genauso blond wie Syreenas Schwester und muskelbepackt wie ein geborener Krieger. Er trug verwaschene Jeans und ein langärmeliges Seidenhemd in dunklem Türkis. Seine leuchtend grünen Augen glitten frech und voller Bewunderung über die Rundungen seiner Frau.
Syreena war diejenige, die nackt dastand, doch sie bemerkte, dass für Elijah ihre Schwester die Einzige war, die unbekleidet vor ihm stand.
„Hallo“, grüßte er Siena sanft, und sein weicher Tonfall nahm zehn Pfund Panzerung von seiner eindrucksvollen Gestalt.
Siena erwiderte den Gruß wortlos. Sie ließ ihre Schwester los und sank bereitwillig in Elijahs offene Arme. Er zog die Königin an sich, und sie sah jetzt viel kleiner und zerbrechlicher aus. Es war ein beeindruckendes
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