Schattenwandler 04. Damien
Die Dämonin stieß einen Satz aus, den Syreena nicht verstand, doch sofort wurde ihr klar, dass es sich um einen Zauberspruch handelte.
Ein Zauberspruch.
Eine Dämonin, die Magie einsetzte.
Die Lykanthropin wusste, dass es stimmte, denn sie spürte, wie sich Hände um ihren Hals legten und ihr die Luft abdrückten. Sie röchelte und griff an ihren Hals, nach etwas, das gar nicht da war. Sie konnte mit nichts ringen und nichts packen, bis auf das schmale Collier aus Gold und Mondstein, das sie trug, das Erkennungszeichen dafür, dass sie die Erbin des Lykanthropenthrons war.
Ruth nutzte die Gelegenheit, sich wieder zu sammeln, strich ihre Kleider glatt und kniete sich über ihr Opfer. Syreena sah mit weit aufgerissenen Augen, wie die Dämonin zufrieden grinste.
„So ist es doch viel besser“, sagte sie in beinahe mütterlichem und beruhigendem Tonfall und tätschelte der Prinzessin die Stirn.
Syreenas Gesicht lief rot an, und sie strampelte heftig mit den Füßen.
„Wenn du zu zappeln aufhörst, höre ich auch auf damit“, sagte Ruth freundlich.
Syreena glaubte ihr nicht, man konnte es an ihrem trotzigen Blick erkennen. Sie musste vielleicht sterben durch die Hand dieser Irren, doch sie würde sich nicht einfach ergeben.
„Oh, dann bekommst du’s eben auf deine Art“, fauchte Ruth, klatschte in die Hände und löste den Bann des Zauberspruchs.
Syreena würgte heftig. Sie rollte sich zur Seite, weg von der Dämonin, und schnappte nach Luft. Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie gegen die Übelkeit und gegen die Kopfschmerzen ankämpfte, die hinter ihren verschwollenen Augen pochten.
„Nu n … vergessen wir nicht, dass ich eine Geistdämonin bin und deine Gedanken lesen kann“, sagte Ruth liebenswürdig, während sie sich mit überkreuzten Beinen direkt hinter der Prinzessin bequem auf den Boden setzte.
Sie log. Weibliche Geistdämonen waren Empathen. Nur die männlichen waren Telepathen.
„Ich lüge nicht“, flüsterte sie nach vorn gebeugt der Prinzessin zu. „Obwohl ich weiß, warum du das denkst. Es stimmt, früher war ich den Unzulänglichkeiten meines Geschlechts unterworfen. Höchst unfair, wirklich, dass die Männer mit sämtlichen Vorzügen unserer Spezies ausgestattet sind. Doch seit ich mich von dieser verlogenen Brut losgesagt habe, habe ich einen Weg gefunden, diese Fähigkeiten in mir zu entfalten. Also verschwenden wir lieber keine Zeit, und nimm meine Worte ernst, hmm?“
„Du Hexe!“, krächzte Syreena.
„Ich kann den Gedanken sehen“, sagte Ruth noch immer in leutseligem Tonfall, während sie ihre Gefangene packte und auf den Rücken drehte, damit sie einander anschauen konnten. „Im Grunde musst du deiner Schwester die Schuld geben. Sie hätte diesen herzlosen Mörder niemals in ihr Bett lassen dürfen. Oder zum königlichen Gemahl nehmen! Zumindest war sie so klug, ihn nicht zum König zu machen. Kannst du dir das vorstellen?“ Ruths Abscheu war offensichtlich, genauso wie ihr Hass auf Elijah. „Doch bald werden sie einen Thronerben haben, und damit bist du überflüssig, Prinzessin, also ist es das Beste, ich nutze dich zu meinem Vorteil, solange du noch einen Wert hast.“
Ruth streckte die Hand aus und strich durch Syreenas zweifarbiges Haar. Die Strähnen zuckten zurück und versuchten, durch ihre Fingern zu schlüpfen. Doch es war ein Leichtes für sie, sich ein anderes Büschel zu schnappen und es sich um die Hand zu wickeln, damit es nicht entwischen konnte.
„Stehst du mit deiner Schwester geistig in Verbindung? Wir haben nie herausgefunden, ob das bei euren Leuten möglich ist. Ihr hattet immer eine verblüffende Art, euch im Kampf in perfektem Einklang zu bewegen. Nicht? Zu schade. Ich hatte gehofft, sie könnte etwas mitbekommen von dem hier.“
Ruth schloss ihre Hand mit dem Haarbüschel zur Faust und zog einmal mit einem Ruck daran.
Syreenas Haar riss ab, und Blut spritzte in hohem Bogen hervor. Es war, als hätte Ruth einen Fuß oder eine Hand von Syreena abgehackt. Der Blutverlust und der Schmerz waren auf jeden Fall ähnlich groß. Die Prinzessin schrie auf und trat mit den Füßen gegen den Fußboden, während sich ihr ganzer Körper aufbäumte. Mit letzter Kraft gelang es ihr, sich über den unebenen Boden in die Ecke zu schleppen. Dort kauerte sie sich zusammen vor Schmerzen und furchtsam wie ein misshandeltes Tier. Durch das Blut, das ihr über Augen und Gesicht lief, konnte sie Ruth nicht mehr sehen.
Mit einem Lächeln
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