Schattenwandler 04. Damien
betrachtete Ruth das Büschel grauer Haare in ihrer Hand.
„Das wird lustig.“
Die Spur von jemandem zu verfolgen, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien, war für einen unerfahrenen Jäger unmöglich. Aber auch für einen erfahrenen Jäger war es ausgesprochen schwierig. Für Damien war es eine Frage der lebenslangen Erfahrung als Jäger, der jede Nacht seiner Beute nachstellte. Er hatte gelernt, jeder Art von Beute auf der Spur zu bleiben, vorausgesetzt, er war mit deren Instinkten und Taktiken vertraut.
Im Moment war er erleichtert darüber, dass es überhaupt eine Spur gab. Ob die Prinzessin noch am Leben war oder nicht, darüber würde er sich beizeiten Sorgen machen. Es gab noch Hoffnung, weil die Spur eine gewisse Spannung aufwies, und das war ein Hinweis darauf, dass jemand Syreena wahrscheinlich gegen ihren Willen mitgeschleift hatte.
Er machte sich keine Illusionen darüber, wie Syreena gefangen genommen worden war. Der Geruch eines Dämons hing entlang ihres Wegs, und es gab nur einen Dämon, der so verrückt wäre, sich auf königlichem Territorium einen solchen Übergriff zu erlauben.
Ruth.
Psychotisches Miststück, dachte er bitter.
Sie und ihre Tochter Mary hatten der Dämonengemeinschaft im letzten Jahr mehr Schmerz und Tod bereitet, als er je für möglich gehalten hatte. Jetzt, wo Mary tot war, aus Versehen getötet von der eigenen Mutter, als Ruth versucht hatte, Elijah zu ermorden, konnte man nicht sagen, was sie mit Syreena vorhatte. Und Damien kannte die bekanntermaßen friedliebende Königin Siena gut genug, um zu wissen, dass selbst jemand, der so stark und so pragmatisch war wie sie, Mühe hätte, einen so persönlichen und so grausamen Akt zu verwinden und seine friedliebenden Grundsätze beizubehalten. Was das für die Dämonen bedeutete, war schwer zu sagen. Damiens einziger Trost war die Tatsache, dass Siena verheiratet war; so würde ihre Reaktion nicht zu heftig ausfallen. Doch die einzige Schwester zu verliere n … das konnte einen mächtigen Monarchen lange und nachhaltig schwächen.
Die Spur, die vor ihm verlief, übte einen starken Sog aus. Obwohl eine Teleportation den Anschein hatte, als würde sie an einem bestimmten Ort ihren Ausgang nehmen und an einem anderen abgeschlossen werden, glich dieser Vorgang doch mehr einem Falten des Raums. Die Reichweite vom Ausgangspunkt bis zum Endpunkt hinterließ so etwas wie eine gepunktete Linie, so wie eine Krähe fliegt, deren Spur man folgen konnte, wenn man wusste, wonach man Ausschau halten musste und wie man die Spur im Blick behielt.
Die Sache war nur, dass es Damien hundertmal so viel Zeit kosten würde, sie zurückzuverfolgen, und in der Zwischenzeit konnte alles Mögliche geschehen. Also flog er mit Höchstgeschwindigkeit durch die Lüfte, den brennenden Wind auf der Haut und die Wucht eines Hurrikans in den Kleidern.
Doch er bemerkte es kaum, da er seine Konzentration ganz auf die Spur gerichtet hatte.
Ruth mochte noch so stark sein, sie hatte dennoch ihre Grenzen. Er glaubte nicht, dass sie den europäischen Kontinent verlassen hatte. Er hatte noch von keinem weiblichen Dämon gehört, der über eintausendfünfhundert Kilometer weit teleportieren konnte. Ruth war allerdings die Erste und Älteste dieser Art. Man konnte wirklich nicht vorhersehen, wozu sie in der Lage war.
Besonders mithilfe der Schwarzen Künste.
Jasmine brauchte eine ganze Stunde, bis sie bemerkte, dass Damien nicht mehr da war.
Vampire pflegten einander nicht zu überwachen, doch hier herrschten besondere Umstände. Sie befand sich auf dem Territorium einer fremden Art, umgeben von fremden Schattenwandlern, mit einer Aufgabe betraut, bei der Damien sie hatte begleiten wollen, um sicherzugehen, dass alles halbwegs ruhig war, bevor er sie sich selbst überließ.
Nicht, dass sie Schutz gebraucht hätte. Es war nur so, dass Damien sich die meiste Zeit ihres Lebens um sie gekümmert und sie zu einer Art persönlichem Liebling erkoren hatte und dass er es seitdem als seine Aufgabe betrachtete, ihr Aufpasser und Beschützer zu sein. Ähnlich wie ein älterer Bruder seine jüngere Schwester beschützte.
Dass er sich nicht an ihre Abmachung hielt, ohne ihr auch nur ein Wort zu sagen, weckte zumindest ein gewisses Maß an Neugier, wenn nicht gar Sorge. Es lag Jasmine fern, den Aufpasser eines doppelt so alten und mächtigen Vampirs zu spielen.
Aber trotzde m …
Jasmine verließ die Bibliothek und blickte in die höhlenartigen Tunnel um sie
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