Schattenwandler 04. Damien
zulassen, dass Ruth sie berührte. Wenn ihr das gelänge, dann wäre die Geistdämonin dazu in der Lage, Syreena innerhalb von Sekunden aus ihrem vertrauten Umfeld und weit weg von jeglicher Hilfe zu teleportieren.
Zumindest hoffte sie, dass es so war. Ruth war eine abweichende Erscheinung, eine Dämonin, die schwarze Magie angewandt hatte. Niemand hatte je zuvor so etwas getan, und Ruth hatte bereits bewiesen, wie machtbesessen und wie skrupellos sie war.
„Mal sehen, wie sehr deine Schwester diesen Mörder liebt, den sie ihren Ehemann nennt, wenn sie feststellt, dass er für den Tod ihrer geliebten Schwester verantwortlich ist“, sagte Ruth eiskalt.
Syreena wurde von einer plötzlichen, übermächtigen Panik befallen, zu plötzlich und zu fremdartig, als dass sie natürlich sein konnte. Die Dämonin drang in ihren Geist ein, spielte damit und beeinflusste ihre Gedanken und ihr Gleichgewicht. Syreena stolperte, als sie von Übelkeit übermannt wurde. Instinktiv warf sie den Kopf zur Seite und zeigte nur noch ihr braunes Haar.
Doch Ruth war eine Geistdämonin, und sie bemerkte die instinktive Reaktion schon, bevor Syreena selbst sie erkannte. Wie ein Lichtblitz teleportierte sie sich auf den Rücken der Prinzessin, und das plötzliche Gewicht warf Syreena mit dem Gesicht nach unten der Länge nach in den Schnee. Syreena spürte, wie Ruths Finger nach ihrem Haar griffen. Ruths Hände packten den lebendigen Fortsatz so fest, dass Syreena aufschrie vor Schmerz.
Sobald das Haar eines Lykanthropen gepackt oder festgehalten wurde, konnte er sich nicht mehr verwandeln. Diese Falle war der schlimmste Albtraum für einen Lykanthropen. Dazu kam noch, dass Ruth jetzt den Kontakt hatte, den sie unbedingt brauchte, um Syreena aus dem russischen Wald zu entführen. Obwohl sie gegen ihre Furcht ankämpfen musste, wusste die Prinzessin, dass ihre einzige Chance darin bestand, die Konzentrationsfähigkeit der Dämonin zu stören. Trotz ihrer Fähigkeiten musste Ruth ihre Energie bündeln, um sich auf die Flucht vorzubereiten. Die Prinzessin griff über ihre Schulter nach hinten und hieb der anderen die ausgestreckten Fingernägel quer über Wange und Hals.
Syreenas Angriff wurde mit einem Aufschrei belohnt, doch er wurde gleich wieder bestraft, indem die Dämonin Syreenas zurückgeworfenes Haar packte und ihren Kopf zurückriss.
Der Schmerz war gewaltig, als die Wurzeln sich unter Ruths Zerren lösten. Ruth riss ein ganzes Büschel aus, sodass ihre Hand den Halt verlor. Sie hatte so kraftvoll gezogen, dass Syreena nach hinten fiel, sie stürzten in den Schnee, und die Schwester der Königin spürte, wie warmes Blut zurück in ihr Haar floss. Dies geschah so schnell und heftig, dass sich im Schnee eine schnell schmelzende Mulde bildete, während sich Ruth zum nächsten Angriff bereit machte und sie mit einer Hand am Hals packte. Ruths Griff war eisern und erinnerte Syreena daran, dass sie einmal eine Kriegerin gewesen war. Eine sehr gute übrigens. Eine, die im dreihundertjährigen Krieg zwischen Dämonen und Lykanthropen gekämpft hatte. Sie kannte deren Schwächen und wusste sie sich zunutze zu machen.
Und Syreena hatte geglaubt, sie sei dieser Herausforderung gewachsen?
Ruth drückte ihr die Luft ab, während sie ihr mental Angst einzuflößen versuchte, bis ihre Gedanken so wirr waren, dass sie wie gelähmt war und sich keinen Gegenangriff mehr überlegen konnte. Die Prinzessin bemerkte plötzlich, dass das, was nach den Maßgaben der eigenen Leute einen guten Kämpfer ausmachte, nur in einer abgeschiedenen Umgebung wirkte. Sie hatte noch nie direkt mit einem Dämon gekämpft.
Es war klar, warum die Dämonen so oft siegreich aus dem Kampf hervorgegangen waren. Ihr Vater war tatsächlich wahnsinnig gewesen, diesen Krieg weiterzuführen, und noch wahnsinniger zu glauben, dass er ihn je gewinnen würde. Erst jetzt, wo sie die Macht eines Dämons in ihrer ganzen Grausamkeit erlebte, begriff sie allmählich, warum Noahs Leute sich all die Jahre so zurückgehalten hatten.
Das war ihr letzter Gedanke, bevor es Nacht wurde um sie herum.
3
Damien trat aus dem Höhleneingang, zu dem er der Prinzessin gefolgt war, wobei seine Fußabdrücke ihre kleineren im Schnee überdeckten. Die Kälte traf ihn wie ein Schlag, doch er achtete nicht darauf und schloss die Augen. Sein Kopf legte sich schräg, als er mit geschärften Sinnen nach ihr suchte. Sie war ein Wesen der Natur und auch der Macht. Er würde sie leicht aufspüren, sofern
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