Schattenwandler 05. Noah
Kopf ruhte, und schützend die Arme um sie schlang. Er hatte keine Angst. Er konnte die Energie spüren, die sie verströmte, und wie ihre Kräfte mit jeder Sekunde wuchsen, während er sie festhielt.
»Hör zu, Kes«, sagte er in leisem Ton, um sie zu beruhigen. »Das ist Energie, die aus deinem Inneren kommt. Verstehst du?« Sie nickte, und er spürte, wie sie schwer schluckte. »Du kannst das kontrollieren. Gib diese Kontrolle nicht ab. Das ist deine Energie, egal, was daraus wird. Sie ist nicht anders als alles sonst, womit wir geboren werden. Sie ist uns angeboren, doch es liegt bei uns, wie wir damit umgehen. Verstanden?«
»Ja«, sagte sie keuchend, doch er konnte hören, wie sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle bekam. Er machte ihr keinen Vorwurf wegen ihrer Angst. Das erste Mal, als Feuer aus seinem Körper gelodert hatte, war er entsetzt gewesen. Vor allem, weil es durch Wut ausgelöst und unkontrollierbar gewesen war.
»Gut«, lobte er sie, als sie sich wieder beruhigte. »Streck die Hände aus, Liebling. Schau. Siehst du, dass hier die Energie am stärksten ist?« Sie nickte. »Das bedeutet, dass deine Hände die beste Stelle sind, wo du die Energie konzentrieren kannst. Du kannst sie durch deine Hände lenken.«
»Wird die Energie … wird sie abgegeben oder aufgenommen?«, fragte sie ängstlich.
Schlaues Mädchen, dachte er und drückte sie fest an sich, obwohl es gefährlich für ihn sein konnte, solange die Energie unkontrolliert und unbekannt war.
»Das weiß ich nicht«, sagte er zu ihr. »Aber wenn ich von der Energiemenge ausgehe, die du verbrennst, dann würde ich sagen, abgegeben.«
»Aber ich bin nicht müde. Ich müsste eigentlich müde sein.«
Nach logischen Gesichtspunkten würde sie, wenn sie ihre eigene Energie verbrannte, sich selbst verzehren. Und sie dachte ausgesprochen logisch. Er seufzte sanft an ihrer Ohrmuschel.
»Es ist meine Energie, die du verbrennst, Kikilia «, sagte er leise.
Sie stöhnte und versuchte sich aus seiner Umarmung zu befreien. Er spürte, wie sie zitterte. Sie hatte Angst, ihn aufzuzehren. Ihm wehzutun.
»Nein«, sagte er und hielt sie fest. »Du kannst mir nichts tun. Du bist eine Novizin, und ich gehöre zu den Ältesten unter den Dämonen. Trotz des Schlafmangels und des nächtlichen Kampfs kann ich den Verlust verkraften. Glaub mir, Baby.«
»Okay«, sagte sie und nickte bereitwillig. Es gefiel ihm, dass sie ihm vertraute und dass sie nicht einmal seinen Blick suchte oder seine Gedanken las, bevor sie zustimmte.
»Wir sind symbiotisch«, sagte er. »Wir sind zugleich ein Ganzes und auch zwei Teile. Ich bin die linke Hand. Du bist die rechte. Was du aufnimmst, musst du auch wieder loswerden, oder du wirst durchbrennen wie eine Glühbirne bei zu großer Spannung. Versuch als Erstes zu fühlen, von welcher Stelle aus mir die Energie entzogen wird. Fühle es und mache dich damit vertraut.«
»Ich kann nicht. Ich weiß nicht, was du meinst!«
»Schhh.«
Noah umfasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht hoch. Er blickte hinunter in ihre großen Augen und lächelte sanft, alle Gedanken und Bewegungen langsam und fließend, damit sie nicht in Panik verfiel.
»Ich glaube, ich weiß, was der Auslöser war«, sagte er, und seine Lippen verzogen sich belustigt. »Deine Hormone waren in Aufruhr.«
Sie lachte, ungläubig und überrascht.
Er konnte nicht anders, als die Gelegenheit zu nutzen, um es ihr zu beweisen. Er berührte ihren Mund mit seinen Lippen und küsste sie so innig und so leidenschaftlich, dass sie sich wand, als er sich schließlich von ihr löste und Atem schöpfte. Tatsächlich glühte sie wie ein Leuchtkäfer und erhellte den ganzen Raum.
»Starke Emotionen sind oft ein Auslöser für neue Energien. Sag Bella, dass sie dir bei Gelegenheit etwas darüber erzählen soll. Sie ist ein klassisches Beispiel.« Noah ließ die Tatsache unerwähnt, dass Isabella ihn und Legna während des Vorgangs beinahe getötet hätte. »Diese Stelle in dir, wo das Zentrum deiner Gefühle liegt, wenn wir uns küssen. Spirituell, nicht körperlich«, verbesserte er sich, als sie kicherte. Ihr Humor störte ihn nicht. Das sagte ihm, dass sie sich wieder beruhigt hatte. »Das ist dieselbe Stelle, von der aus deine Energie auf mich überspringt. Stell es dir vor wie einen Kuss, allerdings in Energieform.«
»Verstehe. Ich kann es fühlen«, sagte sie geradezu ehrfürchtig. »Es ist wie Gedankenübertragung, nur mehr vom Herzen als vom Kopf.«
»Gut. Du hast es
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