Schattenwandler 05. Noah
ein dreidimensionaler Geruch. Man riecht die Zuckerstreifen, die durch die Luft wirbeln, aber man schmeckt sie auch, und man spürt die klebrige Süße auf der Haut.« Noah unterbrach plötzlich seine erregte Beschreibung und wurde sogar rot, als ihm bewusst wurde, dass er eine Richtung einschlug, die viel intimer und entlarvender war, als ihm lieb war.
»Ich verstehe«, sagte Corrine sanft, nahm ihn beim Arm und führte ihn in die Mitte des Raums.
Sie kniete neben einer großen, tiefen Schale mit Zweigen und Kohlestückchen nieder. Dann bedeutete sie ihm, sich auf die andere Seite zu setzen, wo er sich auf einem bequemen Kissen niederließ. Ein Schleier von Kräutern und Weihrauch hüllte den Dämonenkönig auf beruhigende Weise ein.
»Zünde das an«, sagte sie leise und berührte den Rand der metallenen Schale mit einem Finger. Sie atmete tief ein und wieder aus und schloss die Augen, während er die wesentliche Aufgabe erfüllte, sich auf die Schale zu konzentrieren und die sorgfältig angeordneten Gegenstände in Flammen aufgehen zu lassen.
Noah spürte, wie sich die Energie im Raum schlagartig veränderte und ihn mit einem besänftigenden Druck umgab und ihn so zwang, sich noch mehr zu entspannen. Für die Druidin, die nur teilweise um ihre Fähigkeiten wusste, war es eine ungeheure Leistung, die Energie des Feuerdämons ohne seine Erlaubnis zu manipulieren. Wenn sie ihn nicht so plötzlich in diesen konzentrierten und ruhigen Zustand versetzt hätte, hätte er sich vielleicht instinktiv gewehrt.
Corrine hatte immer wieder für genau so einen Moment geübt. Sie hatte Schwäche und Kraftlosigkeit gespürt, wo sie doch genau das Gegenteil hätte spüren sollen bei der Begegnung mit ihrem Dämonengemahl. In den drei Jahren seither hatte sie alles darangesetzt, diesen Zustand wieder auszugleichen. Sie war eine Art druidische Therapeutin, hatte sich selbst immer angetrieben und zu bekommen versucht, worum sie durch eine grausame Wendung des Schicksals betrogen worden war.
Jetzt winkte sie abwesend mit einer Hand zur Tür hin, die sie offen gelassen hatte, und sie fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss. Der König wäre erstaunt gewesen, wenn er darauf geachtet hätte. Stattdessen war sein Blick auf die beruhigenden Flammen gerichtet, die er entfacht hatte. Es war ihm stets gelungen, Trost und Behaglichkeit in einer Flamme zu finden. Corrine hatte das gewusst. Jeder, der gesehen hatte, wie er stundenlang vor den ewigen Flammen im Kamin des großen Saals seines Schlosses saß, wusste das.
»Dann wollen wir mal anfangen«, sagte sie schließlich.
Kestra hatte gar nicht gemerkt, dass sie wieder eingeschlafen war, bis starke Hände sie um die Taille fassten und sie mit einem Ruck an eine Wand aus festem Fleisch zogen. Er griff in ihr Haar und strich mit den Fingern hindurch, als hätte er dazu jedes Recht der Welt. Sie versuchte, ihn zu sehen, aber da war nichts. Er war da, aber lediglich in Form bunter Farben. Sie versuchte mit der Berührung ihrer Hand seinen Gesichtszügen Gestalt zu verleihen.
Sie stöhnte, als sie bemerkte, dass sie mit ihren Fingerspitzen dichtes Barthaar fühlen konnte. Die schockierende Echtheit dieses Gefühls ließ ihr Herz rasen, und ihre Hand zuckte zurück. Vergeblich versuchte sie sich aus dem Griff seiner Hände zu befreien.
»Sag mir, wer du bist …«
Kestra erstarrte beim Klang der tiefen Stimme mit dem fremdartigen Akzent, der zu einer der ältesten europäischen Kulturen gehören musste. Sie war genug gereist, um ihn zu erkennen, auch wenn sie die genaue Herkunft nicht bestimmen konnte. Sie bemerkte, wie gut er zu ihm zu passen schien und zu dem Bild, das sie sich in den letzten sechs Monaten von ihm zusammengebaut hatte.
Keiner von beiden hatte auch nur ein Wort gesprochen in all den Monaten dieser beharrlichen obsessiven Träume, den unaufhörlichen Albträumen und der Heimsuchung durch diese Gestalt, die in ihnen wirkte und die sie lenkte. Sie war erschrocken und fasziniert zugleich angesichts dieser unerwarteten Entwicklung.
Die Düsterkeit hellte sich ein wenig auf, und er zog sie näher an sich, so als würde sie sich überhaupt nicht wehren, seine Hände ruhten unter ihrem Rippenbogen, und seine Finger pressten sich fester in ihre Haut, als er ihren Widerstand spürte.
»Warum tust du das?«, fragte sie und kämpfte gegen den heftigen Drang an, ihm wehzutun, um sich der Macht seines Willens zu widersetzen. Es wäre nicht fair, ihm wehzutun, wo er ihr doch nie
Weitere Kostenlose Bücher