Schattenwandler 05. Noah
ihm um, »ich bin nicht so empfindlich, und ich brauche keine Versprechungen oder Höflichkeitsfloskeln, wenn so etwas passiert ist. Es hat Spaß gemacht, belassen wir es dabei.«
Kestra begann ihre Pistole zu untersuchen, ein weiterer günstiger Vorwand, um ihm den Rücken zuzukehren. Noah war unkommunikative Leute nicht gewöhnt, Leute, die ihre Gefühle versteckten und ihn nicht beachteten. Einen Moment lang wusste er nicht weiter und versuchte, sich auf seine Erfahrungen mit den Leuten, die unter Menschen aufgewachsen waren, zu besinnen. Corrine und Isabella waren allerdings keine guten Beispiele. Sie waren beide sehr freimütig und für ihre Spezies ausgesprochen anpassungsfähig. Sie machten kein Geheimnis aus dem, was sie taten und dachten.
Noah hatte das Gefühl, dass er alles falsch gemacht hatte. Es war eine krasse Einsicht, und sie erfüllte ihn mit großer Furcht. Hatte er das Märchen im Laufe der Jahre nicht Dutzende Male den Kindern in seiner Familie und anderen Kindern vorgelesen? Sarahs Gedanken, als sie feststellte, dass sie auf einen Mann geprägt war, den sie beinahe hasste, begannen in seinem Kopf widerzuhallen.
Sie konnte ihm ihr Herz verweigern.
Liebhaber, doch Fremde. Für immer.
Alles, was sie tun musste, war, ihre Gefühle abzuspalten. Es war selten, aber man hatte schon davon gehört. In diesen seltenen Fällen führte es zu einer besonderen Form von Wahnsinn, einem Schicksal, schlimmer als der Tod. Vor allem wenn der eine Partner sich verliebte und der andere nicht.
Kestra spürte, wie sich seine Finger um ihren Arm schlangen und wie er sie grob an sich zog, als hätten sie sich nie voneinander gelöst. Das Gefühl von Geborgenheit, das sie so nah bei ihm spontan empfand, machte sie wütend auf ihren ungehorsamen Körper, den sie im Laufe der Jahre zu einer Waffe entwickelt hatte, die sie perfekt beherrschte. Sie reagierte, indem sie ihre Hände gegen seinen Brustkorb stemmte und ihn heftig wegstieß.
Doch diesmal ließ Noah sie nicht los und brachte seine außergewöhnliche Stärke gegen sie zum Einsatz. Es gelang ihm, mit einem einzigen Arm um ihre Taille, während er mit der freien Hand ihr Haar zurückstrich und ihr erhitzt ins Ohr flüsterte: »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich kann dir versichern, dass du mir nicht einfach entkommst, indem du mein Haus verlässt. Ich war in dir drin, Kikilia. Nicht nur heute, sondern die ganzen letzten Monate. Unsere Herzen schlagen schon die ganze Zeit im Rhythmus unserer Anziehung. Glaubst du wirklich, das mit der Distanz klappt jetzt besser, wo du nicht mehr auf der anderen Seite des Ozeans bist?«
Kestra öffnete den Mund, doch seine anmaßenden Worte machten sie sprachlos. Und dass er womöglich die Wahrheit sagte, war erschreckend. Doch er kannte sie nicht so gut, wie er glaubte, dachte sie, als ein vertrautes Gefühl von Erregung sie durchströmte.
Er hatte sie vor eine Herausforderung gestellt. Mehr noch, es war eine tödliche Herausforderung. Sie war sich dessen sicher. Er war gefährlich, musste sie sich eingestehen. Wahrscheinlich hatte sie das von Anfang an gewusst, und wahrscheinlich hatte sie ihn deshalb so unwiderstehlich gefunden.
Lass ihn doch eine bessere Mausefalle bauen, dachte sie mit boshafter Selbstgewissheit. Es gibt keinen von Menschen gemachten Käfig, dem ich nicht entkommen kann.
Kestra senkte das Kinn, hob die Lider mit den schneeweißen Wimpern, bis er die Gefahr in ihren Augen und die freundlichen Winkel ihrer plötzlich lächelnden Lippen nicht mehr übersehen konnte.
»Möchtest du ein Wette darauf abschließen?«, murmelte sie und ließ ihren diamantblauen Blick abschätzend über seinen ganzen Körper gleiten, wobei sie feststellte, dass sie nicht bedroht war.
Doch sie hatte nicht erwartet, dass er so wild zurücklächeln würde.
»Ich habe alles Geld und alle Zeit der Welt, Kikilia «, flüsterte er. »Ob dir das bewusst ist oder nicht, du brauchst mich jetzt.«
Kestra lachte laut und verächtlich, eine Reaktion, die jeden normalen Mann eingeschüchtert hätte. Sie begriff allmählich, dass er kein normaler Mann war, also unterschätzte sie ihn in diesem Punkt nicht mehr.
»Hör zu«, sagte sie leise, »du kannst drohen und drängen, so viel du willst, du kannst mich auch verführen, bis wir beide nicht mehr können, aber du wirst mich nie besitzen. Solange du nichts Besseres auf Lager hast als leere Drohungen, bin ich Herr meiner Gedanken und meiner selbst. Du kannst nichts tun, um das zu
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