Schattenwende
Wir sind auch nicht unsterblich oder unverwundbar. Ich weiß, es ist schwer zu verstehen und noch schwerer zu akzeptieren. Aber um eine ganze Rasse zu retten, bedarf es manchmal einiger weniger Opfer. So leid es uns tut. Wenn wir darauf Rücksicht nehmen würden, würden wir scheitern, vielleicht sogar sterben und dann würden wir alle übrigen Vampire schutzlos zurücklassen. Willst du das?“
„Natürlich will ich das nicht. Aber gibt es denn gar keine andere Möglichkeit?“
„Ich fürchte nicht.“
Sie biss die Zähne zusammen und wandte sich ab. Sie verstand die Logik in Damirs Erklärung. Es war vernünftig, was er sagte. Trotzdem schrie ihr Empathenherz bei der bloßen Vorstellung, welch grausamer Tod die Gefangenen im Flammenmeer erwarten würde.
Und noch ein anderer Gedanke belastete sie: Damir hatte unmissverständlich klar gemacht, dass dieser Einsatz nicht ohne Risiko verlaufen würde. Es konnte sein, dass etwas schief ging.
Wie würde sie weiterleben können, wenn Reagan etwas zustieß, nach allem, was nun zwischen ihnen zu stehen schien? Sie wünschte, sein Bewusstsein wäre für sie genauso zugänglich wie Caydens. Auf diese Weise war es viel einfacher, miteinander zu kommunizieren, denn dort gab es nur Ehrlichkeit. Sie würde genau empfinden können, wie er zu ihr stand und ob er all die hässlichen Dinge, die er ihr an den Kopf geworfen hatte, ernst gemeint hatte. Ein Teil von ihr, der ursprüngliche, feinfühlige, weigerte sich, das zu glauben, während hingegen der ängstliche Teil hinter seine Schutzmauern fliehen und den Krieger niemals mehr an sich heranlassen wollte.
Leise Fußschritte lenkten sie ab. Ria war neben sie getreten und betrachtete sie stumm. Eine eindringliche Ermutigung stand in ihren Augen.
Die Männer packten ihre Karten zusammen und stapften nun nacheinander aus dem Raum, um ihre Waffen bereit zu machen und dennotwendigen Sprengstoff zu besorgen. Reagan verließ den Raum als letzter.
Daphne nahm nach einem sanften Schubsen von Ria ihren Mut zusammen und folgte ihm.
„Hast du kurz Zeit, Reagan?“ Sie zögerte, seinen Namen auszusprechen. Es klang vertrauter als sie es beabsichtigt hatte. „Ich glaube, wir müssen ein paar Dinge klären.“
Der hünenhafte Vampir drehte sich um und bedachte sie mit einem langen, undurchschaubaren Blick. Sie fürchtete für einen kurzen Moment sogar, er würde nicht reagieren und einfach verschwinden, bis er sich schließlich zu einem Nicken herabließ.
„Wir reden in meinem Zimmer, wenn ich den Jungs meine Anweisungen gegeben habe. In fünf Minuten“, sagte er knapp
„In Ordnung …“, murmelte sie und sah zu, wie er sich abrupt umdrehte und seinen Weg fortsetzte. Nach unten in die Waffenkammer vermutlich.
Sie verharrte einige Sekunden auf der Stelle, bis seine schweren Stiefel nicht mehr zu hören waren, und begab sich nach oben in seinen Bereich. Vor der Tür zögerte sie unschlüssig. Es war ihr unangenehm ohne ihn in sein Zimmer zu gehen, auch wenn er ihr seine Erlaubnis erteilt hatte.
Sie atmete durch und stieß die Tür auf. Sofort stieg ihr sein Geruch in die Nase, der hier allgegenwärtig war. Ihre bloßen Füße tappten durch den Raum. In einer Ecke des Zimmers stand eine teure braune Ledercouch, davor ein Tisch aus Glas. Eine Hightech-Leinwand hing an der gegenüberliegenden Wand. Daneben ein großer dunkelbrauner Schrank, vermutlich hatte er dort seine Kleidung verstaut. Als sie das letzte – und einzige – Mal hier gewesen war, hatte sie nicht auf die Details im Raum geachtet, doch nun stachen sie ihr sofort ins Auge.
Die Lampen in den Regalen, die ein warmes Licht verbreiteten, sein Silberschmuck auf dem Nachttisch.
Das Knarren der Treppe im Flur riss sie aus ihren Beobachtungen. Diesmal trampelte er nicht, sondern schien darauf bedacht zu sein, so wenig Lärm wie möglich zu machen, sie aber trotzdem nicht durch ein geräuschloses Auftauchen zu erschrecken.
Als Reagans Schatten in den Raum fiel, fand er Daphne auf seinem Sofa sitzend vor. Himmel, seine Disziplin reichte kaum aus, um sich und seine Gedanken zu bändigen. Vermutlich wusste sie selbst nicht, wie aufreizend sie da saß. Die nackte Haut ihrer Beine, ihre langen schwarzen Haare, die so verführerisch zwischen ihre Brüste fielen, und der bordeauxrote Morgenmantel, der vorne leicht verrutscht war und so mehr Haut entblößte, als es von ihr beabsichtigt war.
Er wusste genau, was sie wollte. Sie wollte über die Vorwürfe sprechen, die er ihr
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