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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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Sie war noch immer so bedenklich leicht, dass er sich insgeheim sorgte, ob sie genug aß und gesund war. Er konnte nur ahnen, wie es in ihr aussah, welch ein Scherbenhaufen auf ihrer Seele lastete und ihr immer wieder neu ins Herz schnitt. Und er hatte dazu beigetragen, diesen Scherbenhaufen aufzutürmen.
    „Was hast du vor?“ Ihre Stimme klang in seinen Ohren eine Spur zu ängstlich. In ihrem Kopf arbeitete es und er konnte förmlich hören, wie sie darüber nachgrübelte, ob er sich eine neue Art ausgedacht hatte, sie zu verletzen.
    „Ich möchte dich nur im Arm halten“, entgegnete er sanft.
    Sie zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen. Eine steile Falte erschien auf ihrer Stirn. Er fuhr mit der Fingerspitze diese Linie nach.
    „Du siehst wunderschön aus, selbst wenn du mich so vorwurfsvoll anschaust“, murmelte er, was ihr ein scheues Lächeln entlockte. Zufrieden drückte er ihren Kopf an seine Schulter und strich beruhigend über ihre Wange, über ihren Hals, bis hinunter zur Schulter, wo der rote Stoff heruntergerutscht war. Er berührte die seidenglatte Haut so vorsichtig, bis ihr Kopf schwerer wurde und er fühlen konnte, wie sie sich in seinen Armen entspannte.
    Behutsam griff er unter sie und trug sie zu seinem Bett. Zwischen den schwarzen Kissen sah Daphne so blass und zerbrechlich aus und er schwor sich, ihr nicht noch einmal weh zu tun und sich stattdessen ihrer würdig zu zeigen.
    Denn er wollte sie. Mit jeder Faser seines Körpers. Er wollte sie ganz und gar für sich allein haben, egal, wer je Anspruch auf sie erheben würde. Sie hielt ihre Augen geschlossen und atmete gleichmäßig und ruhig.
    Seine Finger zitterten, als er das seidene Band, das ihren Morgenmantel zusammenhielt, aufband. Der rote Mantel fiel auseinander. Ihm stockte der Atem, denn darunter trug sie nichts.
    Wenn er sie nicht besser gekannt hätte, hätte er es für schamlos gehalten, dass sie sich mit nichts als dieser dünnen Schicht Stoff bekleidet inmitten einer Horde Vampire aufhielt. Ihre Arglosigkeit und ihr Leichtsinn in solchen Angelegenheiten brachten ihn zum Schmunzeln und insgeheim fragte er sich, wie viel Zeit vergangen war, seit sie zuletzt mit einem Mann zusammen gewesen war. Er hoffte, dass es lange her sein möge, sehr lange, denn allein der Gedanke, dass ein anderer diese weiße, makellose Haut berührt hatte, entlockte ihm ein tiefes Knurren.
    Seine Hand strich wie von selbst über ihren Bauch und umkreiste mit dem Zeigefinger ihren Bauchnabel. Überrascht hielt er inne, als sie sich zu ihm drehte, sich an seine Seite schmiegte und ihren Kopf an seine Schulter sinken ließ. Ihr schwarzes Haar fiel auf seine Brust und er fuhr bedächtig mit den Fingern hindurch. Bedauernd zog er ihren Morgenmantel wieder zusammen und legte eine Decke über ihrer beider Körper.
    Dwight konnte die Nervosität um sich herum förmlich riechen. Er rümpfte verdrießlich die Nase, während er in langsamen, bedächtigen Zügen seinen Langdolch schliff. Das hohe, schrille Schleifgeräusch klang hässlich und bedrohlich in seinen Ohren. Es passte perfekt zu seiner Stimmung. Mit dieser simplen Handlung schärfte er, gleich einem Ritual, nicht nur seine älteste Waffe, sondern auch seinen Verstand. Denn wenn der Einsatz begann, wollte er auf der Höhe seiner Sinne sein. Lange hatten sie darauf gewartet, die Organisation in den Staaten vernichtend zu schlagen. Und dieser Tag war endlich gekommen.
    Er zweifelte nicht an einem Sieg. Er wusste zwar, wie wachsam die Menschen waren. Sie würden nach der Flucht eines Vampirs aus ihrem Labor die Sicherheitsmaßnahmen vervielfacht haben.
    Doch ihre perfide Gerissenheit würde nicht gegen den Sturm ankommen, der sich im Untergrund zusammenbraute. Die Rachewellewürde sie überschwemmen und alles mit sich in die Tiefe reißen, was sich ihr in den Weg stellen sollte. Nichts würde mehr von dem einstigen Stützpunkt übrig bleiben außer schwelender Asche und verkohlter Leiber.
    Dwight hielt in seiner eintönigen Beschäftigung inne. Er dachte an die Frau auf dem Foto.
    Er wusste nicht, warum er diese geifernde Begierde, sie sofort in die Finger zu kriegen, in sich trug, seit er das erste Mal ihren Namen gehört hatte. Nichts an ihr wies etwas Besonderes auf. Sie war nicht besser und nicht schlechter als all die anderen dreckigen Solems, die ihm seine Familie gestohlen hatten. Noch ehe seine Vernunft die Richtung, die seine Gedanken einschlugen, überhaupt bemerken konnte, hatte er sie

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