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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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in sein Inneres beinahe genauso intensiv anfühlte, wie das seiner Brüder. Doch im Gegensatz zu der kraftvollen Kommunikation der Krieger war Daphnes mentale Berührung vorsichtig und unaufdringlich. Sie bewegte sich zurückhaltend durch seine geistigen Kanäle, verschloss sich diskret vor seinen persönlichen Erinnerungen und konzentrierte ihr Bewusstsein einzig auf die Erkundung seiner Gesinnung. Natürlich war Reagan das schwelende Misstrauen ihm gegenüber nicht verborgen geblieben, sonst hätte er es nie zugelassen, dass sie ihn – den mächtigsten aller Vampirkrieger – und seine Denkweise auskundschaftete. Allerdings schien ihr das Wenige, das er preiszugeben gewillt war, zu genügen.
    Mit einem Aufseufzen ließ sie ihre Hand sinken und öffnete die Augen, in denen ein Schimmer von Klarheit glänzte.
    „Ich weiß immer noch nicht, was das alles zu bedeuten hat. Ich weiß nicht, wer ihr seid, du und deine Brüder, oder was ihr tut. Wie ihr es tut. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass in dir kein Funken von Unaufrichtigkeit steckt.“
    Der Vampir nickte.
    „Es gibt Dinge, die erschweren lediglich unsere Pflicht. Lügen ist eins davon“, antwortete er gelassen.
    „Und Frauen ebenfalls“, fügte er in Gedanken grimmig hinzu und war schneller auf den Beinen als sie ihm folgen konnte. Er konnte die feinen Härchen auf ihren Armen sehen, die sich bei dieser unmenschlichen Bewegung instinktiv aufrichteten. Daphne hatte noch immer Angst vorihm, wie es jeder Mensch hatte – und auch haben sollte. Diese Tatsache verstimmte ihn mehr als er sich eingestehen wollte. Er wollte nicht, dass sie sich vor ihm fürchtete. Er wollte, dass ihr hübsches Gesicht strahlte, wenn sie ihn ansah. Er wollte, dass ihre Augen leuchteten, wenn er mit ihr sprach. Er wollte, dass sie ihn nicht von sich stieß, wenn er sie berührte. Vor allem aber wollte er, dass sie sich in seiner Gegenwart sicher fühlte.
    Reagan beobachtete, wie sie sich nervös den Träger des Tops wieder nach oben strich, den er ihr herunter geschoben hatte. Dieser Anblick reichte aus, um jeden Zentimeter seines Körpers in Flammen aufgehen zu lassen.
    Es drängte ihn einmal mehr dazu, sie einfach für sich zu beanspruchen.
    Sich zu nehmen, was ohnehin ihm gehörte. Ihm gehören musste.
    Seine Fänge begannen, schmerzhaft in seinem Zahnfleisch zu pochen und auszufahren. Das unbegreifliche Verlangen nach dieser Frau erwachte erneut und drohte, ihn zu überwältigen.
    „Ich denke, für heute reicht es“, sprach er mit rauer Stimme, die verdächtig belegt klang.
    Er drehte sich abrupt um, ließ ihr keine Gelegenheit etwas zu erwidern.
    Und verschwand einfach vor ihren Augen.
    Schweiß strömte über sein Gesicht, perlte über seinen Hals und tropfte in regelmäßigen Abständen auf die nackte, glänzende Haut seines breiten Oberkörpers. Jeder einzelne Muskel war bis zum Äußersten gespannt. Hervortretende Venen verliefen längs über seine verkrampften Arme. Die Schultern waren kampfbereit hochgezogen und das Kinn wutentbrannt in die Höhe gereckt.
    Sein Atem ging in ungleichmäßigen Stößen, aber seine fast unerschöpfliche Kraft war noch lange nicht erlahmt.
    Die untere Bauchgegend des Kriegers war im Bereich seiner Rippen noch blau unterlaufen und bezeugte die Schande, die er beinahe über sich gebracht hätte. Reagans Strafe war hart, aber gerecht gewesen, und der Vampir wusste, dass sie unumgänglich gewesen war.
    Dennoch brüllte er so laut auf, dass das Geräusch an den Kellerwänden unangenehm widerhallte und in seinen eigenen Ohren zu einem spöttischen Dröhnen anschwoll. Dwight war aggressiv, äußerst übellaunigund brauchte dringend ein Ventil. Verbissen kämpfte er sich schon seit Stunden durch die verschiedenen Etappen des Trainingsraums, stemmte die schwersten Gewichte, rannte kilometerweit das steile Laufband entlang und prügelte wie besessen auf den massigen Boxsack ein.
    Den hämmernden Schmerz in seinem bereits fast verheilten Armbruch begrüßte er. Schmerz hielt Dwight am Leben, er brauchte ihn wie die Luft zum Atmen und das Töten seiner Feinde. Ohne Schmerz fühlte er nichts außer der Eiseskälte, die sich in seinen blauen Augen widerspiegelte.
    Diese Sprunghaftigkeit zwischen Abgestumpftheit und tödlichem Hass machte ihn zu einer tickenden Zeitbombe. Er konnte jeden Moment in die Luft gehen und dabei Abscheuliches anrichten, wenn er seine überschüssige Energie nicht irgendwie abarbeitete.
    Also hieb er weiter auf den Sack ein,

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