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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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drehte sich, bis sie ihn ansehen konnte.
    Ihre Finger krallten sich in den Stoff seines T-Shirts, während ihre dunklen Augen mit dem bedeutungsvollen Zeichen seinen Blick suchten und sie die Frage stellte, die ihr schon seit Tagen auf der Seele lastete.
    „Reagan.“ Seinen Namen von ihrer weichen Stimme ausgesprochen zu hören, ließ ihn zufrieden lächeln.
    „Wer seid ihr?“
    Er spürte die tiefgehende Bedeutung in dieser einfach gestellten Frage und wurde ernst, drängte das begehrende Tier in sich zurück.
    „Wir sind Krieger“, antwortete er fest und sein Körper richtete sich bei dieser Aussage stolz auf.
    „Krieger?“, wiederholte sie, verwirrt über diesen altertümlichen Begriff.
    „Ja. Wir beschützen jene, die uns anvertraut sind.“
    Er konnte ihr nicht sagen, dass er damit das Volk der Vampire meinte. Soweit waren sie noch nicht.
    Sie schwieg einen Moment und dachte über seine Worte nach, ehe sie den Kopf neigte.
    „Vor wem?“, fragte sie und setzte sich zögerlich auf die Lehne ihres Sofas.
    Er ließ sie nicht aus den Augen, ging nur vor ihr auf die Knie und schaute ihr offen ins Gesicht.
    „Vor den Bösen.“
    Ein Bild aus Dwights Erinnerungen flackerte bei diesen Worten in ihrem Gedächtnis auf – das Bild der vergewaltigten Frau.
    „Vor den Bösen …“ Ihre Stimme senkte sich zu einem ungläubigen Flüstern.
    „Wer sagt, dass nicht ihr die Bösen seid?“
    Sie hatte Dwight gesehen. Hatte gesehen, was er getan hatte. Und gespürt, was er gefühlt hatte … noch immer fühlte.
    Reagan lachte leise auf. Ein hartes, bitteres Lachen.
    „Der Grad zwischen Gut und Böse ist sehr schmal, Daphne. Manchmal gerätst du in den Konflikt. Und manchmal muss man auch selbst böse sein, um das vielfach größere Übel zu vernichten.“
    Er starrte einige Sekunden abwesend aus dem Fenster, ehe sein schwarzer Blick sich in ihren bohrte.
    „Würdest du jemanden töten, um deine Tochter vor Unheil zu beschützen?“
    „Ja“, antwortete sie ohne zu zögern und erschrak selbst über diese Bereitwilligkeit.
    „Also nur, wenn es sich nicht absolut vermeiden lassen würde“, fügte sie hastig hinzu. Allerdings fragte sie sich, ob sie in der Lage wäre, die Todesqual eines anderen Menschen zu ertragen.
    „Reagan … ich … Ihr seid so anders. Und ich … ich fühle mich auch anders … manchmal zumindest.“
    Ihre so bedächtigen, aber traurigen Worte rührten ihn.
    „Ich weiß, dass du anders bist, Daphne. Du besitzt etwas, das sehr vielen Menschen verloren gegangen ist. Sensibilität. Offenheit für deine mentalen Sinne. Die meisten Menschen sind zu verbohrt und zu verschlossen, vor allem aber zu egoistisch, um über die ihnen bekannte Welt hinaus zu schauen. Für sie existiert nur das, was sie unmittelbar vor sich sehen können. Damit beschränken sie sich auf einen ziemlich überschaubaren Teil dieser Welt. Aber es gibt noch so viel mehr.“
    Daphne lauschte seiner Erklärung fasziniert.
    „Willst du damit sagen, ich bin nicht verrückt?“, murmelte sie hoffnungsvoll, doch klang ihre Stimme in Reagans Ohren auch schmerzhaft zynisch.
    „Du bist nicht verrückt“, bestätigte er und musste fast ein wenig lächeln.
    „Ich weiß, was du bist. Du bist eine Empathin. Du kannst die Gefühle anderer spüren, nicht wahr?“
    „Ja“, flüsterte sie und stützte sich an der Lehne ab.
    „Es hat schon früh begonnen. Ganz früh. Ich wusste doch nicht, was es ist. Wie ich damit umgehen sollte. Es gab niemanden, der mir etwas erklären konnte. Ich fühlte, dass etwas nicht mit mir stimmte, aber niemand konnte mir sagen, woran es lag. Mein Leben lang kam ich mir vor wie eine Ausgestoßene. Fremd.“
    Sie hob ihren Kopf, sah ihn gequält an.
    „Weißt du, was das für ein Gefühl ist, den Schmerz anderer Menschen stets in dir zu tragen? Es ist, als würde man in ein schwarzes, bodenloses Loch gezogen, in dem nur noch Qual und Grauen herrscht. Du verlierst dich selbst in der ständigen Sorge um geliebte oder sogar fremde Personen.“
    Er berührte sanft ihre Wange.
    „Jetzt bin ich ja da. Ich passe auf dich auf. Und meine Brüder auch.“
    „Brüder?“ Sie zog irritiert ihre Stirn in Falten.
    „Keine leiblichen Brüder. Eher Gleichgesinnte, wenn du so willst. Sie sind auch wie du und ich. Dwight kennst du ja bereits. Er ist etwasabschreckend, ich weiß. Er hat viel Schlimmes erlebt. Aber auch er ist ein Empath.“
    Insgeheim hegte der Vampir die Hoffnung, Dwight würde den Groll gegenüber Daphne

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