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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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wobei er das Bild der schwarzhaarigen Frau vor Augen hatte. Wie zum Teufel hatte er übersehen können, dass sie eine Liyanerin war? Diese Tatsache milderte den Hass zwar nicht annähernd, den er ihr gegenüber empfand, hätte ihn aber davon abhalten können, dass er sie in seiner Rage beinahe abgeschlachtet hätte.
    Wäre Reagan nicht rechtzeitig erschienen und hätte eingegriffen, hätte er sich des schändlichsten Verbrechens schuldig gemacht, das man als Angehöriger seiner Rasse überhaupt nur begehen konnte. Seinem Anführer wäre nichts anderes übrig geblieben, als ihn in den Tod zu schicken, um dieses Verbrechen zu sühnen und die innere Ordnung zu bewahren.
    Dann wäre jede Gelegenheit auf Rache unwiderruflich dahin gewesen und all die Mühe, die er bisher in Kauf genommen hatte, umsonst – und das alles nur wegen einer menschlichen Frau. Einer Angehörigen derjenigen Rasse, die die seine schon seit vielen Jahrhunderten verfolgte und auszurotten versuchte.
    Ein bösartiges Knurren entlud sich seiner Kehle.
    „Empathen“, dachte er angewidert und drosch noch fester auf den schwankenden Boxsack ein.
    Sein Kopf war Privatsphäre und alles, was sein Dickschädel beherbergte, gehörte ausschließlich ihm. Die Kleine würde schon noch sehen, was sie davon hatte, unaufgefordert in seinen Gedanken herumgewühlt zu haben.
    Er würde das Versprechen, das er Reagan gegeben hatte, nicht brechen, aber er würde die Frau wissen lassen, dass sie sich ihm besser kein zweites Mal auf diese Weise nähern sollte. In seinem Zorn schob er die flüchtige Erinnerung an ihre Panik und ihren Schrecken, die er durch seine Barrieren hindurch gespürt hatte, weit von sich und verschloss sie hinter der Häme seines Wesens.
    Wer auch immer sich diesen schlechten Scherz erlaubt hatte, er hatte ihm genau die Fähigkeit gegeben, die er selbst doch am meisten verabscheute. Empathen drangen in die Köpfe anderer ein, in denen sie nichts zu suchen hatten, und nisteten sich unter dem Vorwand des Mitgefühls darin ein. Darauf konnte er gut verzichten. Dennoch war Dwight der beste Empath weit und breit. Gleichzeitig besaß er die sichersten Schutzmauern, die man um irgendeinen Geist finden konnte. Niemand, nicht einmal jemand aus der Gemeinschaft, konnte ohne Erlaubnis in seinen Kopf eindringen.
    Vor allem aber konnte er das Mitgefühl für andere Lebewesen, das seine Fähigkeit mitbrachte, bestens in die entlegenste Ecke seines Bewusstseins befördern und stattdessen seine Kräfte nutzen, um andere zu durchschauen, sie zu entlarven oder bloßzustellen, sie zu erpressen oder zu manipulieren. Es gab vielfältige Arten, die Begabung auszuspielen.
    Und er wusste genau, welche er sich für Daphne aufheben würde.
    Er würde warten.
    Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ Brentwood in all seiner Pracht erscheinen. Die breite Allee, in der Daphne nun wohnte, war umgeben von Palmen, die sich weit in den strahlend blauen Himmel erstreckten.
    Die Häuser, die sich in diesem Stadtteil befanden, waren allesamt Eigentum von wohlhabenden Personen, die großen Wert darauf legten, dass ihr Anwesen sauber und ordentlich war. Nicht wenige beschäftigten Gärtner, die ihre Vorgärten nach allen Regeln der Kunst in grüne Paradiese verwandelten.
    Die Stimmung hier war friedlich und die Menschen grüßten einander höflich, wenn sie sich beim Brötchen holen über den Weg liefen. Manchmal blieben sie stehen und hielten ein längeres Schwätzchen – über die Scheidung der McLains oder über die Affäre zwischen Robert Kane,dem Chirurgen, und Ophelia, der Friseurin – ehe sie sich wieder ihrem Tagesgeschäft zuwandten. Doch trotz der stetig brodelnden Gerüchteküche war es alles in allem hier gut auszuhalten.
    Anfangs war es Daphne schwer gefallen, die Gewohnheit, sich ständig nervös über die Schulter zu schauen, abzulegen. Im Gegensatz zu South Central lümmelten hier keine Streit suchenden Jugendlichen in den Ecken herum, keine schmierigen Drogendealer versuchten, einem nach Anbruch der Dunkelheit ihre Ware anzudrehen, und man musste auch seine Handtasche nicht fest umklammert halten, in der immerwährenden Angst, bestohlen zu werden. Auch die Tatsache, dass Halies Schule nur einige Straßen entfernt lag, war eine Erleichterung für Daphne. Ihre Tochter hatte darauf bestanden, ab jetzt alleine und zu Fuß zur Schule zu gehen. Es hatte sie als Mutter große Überwindung gekostet, ihr das zu erlauben. Aber sie hatte daran denken müssen, wie eingeengt sie

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