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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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sich selbst bei ihren strengen Eltern gefühlt hatte. Deshalb hatte sie widerstrebend und nicht ohne ernste Ermahnungen zugestimmt.
    Dass Halie überhaupt auf diese Schule gehen konnte, hatte sie indirekt ihren Eltern zu verdanken. Eigentlich nahm die Schule keine Kinder von solch niedrigem sozialem Status auf – aber der Name Weston hatte die Schulleitung ihre Entscheidung überdenken lassen. Immerhin war Harper Weston ein nicht zu verachtender Sponsor der Schule, dem man nicht vor den Kopf stoßen wollte, indem man seine Enkelin abwies.
    Daphne hatte die Schulleitung nie über den Bruch mit ihrer Familie aufgeklärt. Das hätte sich nur nachteilig auf die Behandlung ihrer Tochter ausgewirkt und das wollte sie nicht riskieren. Halie war ein intelligentes Kind und sie hatte einen Platz auf dieser Schule verdient.
    Gedankenverloren goss sich Daphne das kochende Wasser in die vor ihr stehende Teetasse.
    Es war Montag, das Wochenende war vorbei, Halie war seit drei Stunden in der Schule, Janet auf dem Weg zum Supermarkt und Mark seit frühmorgens bei der Arbeit – wo sie eigentlich auch längst hätte sein sollen.
    Doch sie fühlte sich nicht wohl. Ihr Kopf hämmerte ungewöhnlich heftig, ihre Augen schmerzten von dem Sonnenlicht, das durch das Fenster in die Küche strahlte, und ihr gesamter Körper schmerzte bei jederBewegung. Deshalb war sie bereits sehr früh zum Arzt gegangen und hatte sich krankschreiben lassen. Ein Teil von ihr wusste, dass ihr Körper auf ihren seelischen Zustand reagierte. Ein anderer Teil wollte ihr etwas von einem Virus einreden.
    Daphne hätte vor Frustration heulen können. Ihr Chef im Büro war von der Krankmeldung ganz und gar nicht begeistert gewesen. Er hatte erst vor kurzem jemanden gefeuert, der sich das Bein gebrochen hatte und so einige Wochen ausgefallen wäre. So war ihre Angst, den Job zu verlieren durchaus berechtigt. Aber es ging nicht anders. Sie brauchte eine Auszeit. Sie musste wieder zu Kräften kommen.
    Sie umfasste den heißen Becher und nahm ihn mit hinauf in ihr Zimmer, um sich ins Bett zu verkriechen.
    Janet und Mark waren sehr großzügig gewesen und hatten den beiden die komplette oberste Etage zur Verfügung gestellt. Daphne hatte damit zwei ganze Zimmer für sich, ebenso wie Halie, und sie besaßen zudem ein eigenes Bad. Die Zimmer waren teilweise mit teuren Möbeln eingerichtet, die sie ihnen zur freien Verfügung überlassen hatten. Gerade deshalb wollte Daphne unbedingt die Miete bezahlen. Sie konnte nicht all das in Anspruch nehmen, ohne irgendeine Gegenleistung dafür zu erbringen.
    Sie presste ihre fiebernden Wangen in das Kissen und dachte angestrengt nach, ob sie sich vielleicht einen neuen Job suchen sollte. Aber sie hatte keine besseren Qualifikationen, nichts, das ihr zu einem besser bezahlten Beruf verhelfen konnte. Absolut nichts.
    Das Vibrieren ihres Handys auf dem Nachttisch riss sie aus ihren verzweifelten Gedanken. Ohne auf das Display zu sehen, griff sie danach und nahm den Anruf an.
    „Ja?“ Sie hörte selbst, wie müde sie klang und schloss resigniert die Augen.
    Eine kühle, weibliche Stimme antwortete nach einer kurzen Stille.
    „Guten Morgen, Daphne.“
    Sofort saß sie kerzengerade im Bett. Sie hatte diese Stimme sogleich erkannt und war, milde gesagt, geschockt.
    „Mutter.“
    „Man merkt dir die Freude über den Anruf förmlich an, liebe Tochter.“
    Rose sprach in dem gleichen höflich-neutralen, aber etwas affektierten Ton, den sie immer anschlug, wenn sie über unangenehme Dinge reden musste.
    „Ich habe nicht mit dir gerechnet. Daher bin ich etwas überrascht, wie du mir zugestehen musst.“
    Unbewusst nahm Daphne den Tonfall ihrer Mutter an, wie sie es immer tat, um die Gefühle, die in ihr tobten, zu verbergen. Gefühlsausbrüche gab es im Hause Weston nicht. Man verhielt sich beherrscht und diszipliniert. Schlug man über die Stränge, wurde die Nase gerümpft oder die Stirn anklagend gerunzelt.
    „Sollte sich nicht jede Tochter über den Anruf ihrer Mutter freuen?“, erwiderte ihre Mutter und Daphne wand sich unter dem ungerechtfertigten Vorwurf.
    „Mutterschaft beinhaltet mehr als reine Blutsverwandtschaft“, antwortete Daphne gepresst und hielt das Handy ein Stück von sich weg, um das obligatorische Schnauben, das nun folgen würde, nicht hören zu müssen.
    „Ach ja? Dass ich solche schändlichen Worte aus deinem Munde hören muss, enttäuscht mich zutiefst. Nach allem, was wir für dich getan haben, haben wir es

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