Schattenwende
dahinsiechen und nur im Schatten ihrer selbst leben. Überlege dir gut, welchen Weg du wählst.“
Ohne ein weiteres Wort fuhr er herum und stieg in den Sportwagen, um in die Nacht zu verschwinden.
„Beeindruckend, nicht wahr?“
Smith war zu perplex, um zu antworten. Das, was da vor ihm lag, ähnelte nur im ersten Moment einem Krankenzimmer.
Die grünen Fliesen, die steril-weiße Ausstattung, die Liegen aus Metall, das stetige Piepen, das von den verschiedensten Maschinerien aufstieg undsich zu einem unangenehmen Ton vermischte, erweckte eher den Eindruck, inmitten eines Testlabors zu stehen. Mitarbeiter in weißen Kitteln liefen geschäftig durch den Raum, manche hielten Blöcke in der Hand und kritzelten eifrig darauf herum, andere standen neben den Liegen und überwachten die Zahlen an den Monitoren. Die meisten Pritschen waren unbenutzt, doch auf einigen lagen Menschen. Mit Unbehagen stellte Smith fest, dass keiner von ihnen bei Bewusstsein war. Außerdem waren sie gänzlich unbekleidet und durch viele Schläuche mit den umliegenden Apparaten verbunden.
Jones neben ihm gab ein wohlgefälliges Seufzen von sich.
„Sehen Sie sich nur die Ausstattung an, Mr. Smith. Wir sind technisch gesehen auf dem allerneuesten Stand. Allein diese Ausrüstung ist ein Vermögen wert.“
Die Ausrüstung interessierte den Professor im Augenblick allerdings einen Dreck. Vielmehr starrte er gebannt auf die Gesichter der ohnmächtigen Menschen. Ein paar kamen ihm bekannt vor. Er hatte sie in den Unterlagen gesehen, die man ihm versehentlich auf den Schreibtisch gelegt hatte.
„Was wird hier mit diesen Menschen gemacht?“, fragte er atemlos.
Jones hob seine beringte Hand und wies auf den Mann, der ihnen am nächsten war.
„Sehen Sie die beiden Schläuche in seinen Unterarmen?“
Smith folgte seiner Geste und nickte.
„Ihnen wird daraus Blut abgezapft.“
Jones lachte, als hätte er einen Scherz gemacht. Die furchtbare Ahnung der letzten Tage wurde in Smith zu einer steinharten Gewissheit.
„Sind das die Quellen der Blutproben, die ich untersuche?“, hakte er nach, obwohl er die Antwort schon wusste.
„In der Tat, Mr. Smith. Sie sind unwahrscheinlich scharfsinnig“, zog sein Chef ihn auf.
Ohne den Spott zu bemerken, beobachtete Smith, wie eine Mitarbeiterin an den Mann in ihrer Nähe herantrat und seine schlaffen Augenlider hob. Sie leuchtete mit einer kleinen Stablampe hinein und kontrollierte den Zustand seiner Pupillen. Anscheinend war sie mit dem Ergebnis zufrieden,denn sie nickte einem Kollegen zu, der sich daraufhin an das Gerät neben der Liege begab und einen Schalter betätigte.
„Was macht er da?“
„Sie hat ihm signalisiert, dass er die Blutabfuhr erhöhen kann, ohne dass der Kerl einen größeren gesundheitlichen Schaden dadurch erleiden wird. Der Behälter ist bei weitem noch nicht voll, und gegen Ende der Nacht muss er gefüllt sein. Schließlich haben wir wenig Zeit.“
Entgeistert blickte Smith den Behälter an, auf den Jones verwiesen hatte. Er erschien ihm gigantisch. Ein normaler Mensch musste sterben, wenn er so viel Blut verlor.
„Aber Sie bringen Menschen um, Mr. Jones. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“, presste Smith hervor.
Er hatte Respekt, ja sogar Angst vor seinem Vorgesetzten, er war auch bereit, sehr viel für seinen Job zu tun, aber wenn er Menschen dadurch tötete, oder zumindest dabei zusah, dann würde er auf der Stelle kündigen.
„Das ist nicht ganz richtig, mein Freund. Das, was auf diesen Tischen liegt … das sind keine Menschen.“
Smith riss seine Glubschaugen auf.
„Wovon reden Sie? Was sollen sie denn sonst sein?“
„Nun …“ Jones legte eine Kunstpause ein, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Smith hing an seinen Lippen und wartete ungeduldig darauf, dass er fortfuhr.
„Ich weiß, dass es im ersten Moment makaber klingen mag. Aber es handelt sich hierbei um waschechte Vampire.“
Okay. Smith musste seine Einschätzung korrigieren: Jones war offenbar nicht nur ein Mörder, sondern auch ein wahnsinniger Psychopath.
Jones las ihm seine Gedanken anscheinend aus seiner entsetzten Miene ab, denn er öffnete die Glastür und trat in den Raum, winkte Smith mit einer ungeduldigen Geste zu sich.
„Überzeugen Sie sich selbst!“, forderte er ihn auf und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf die reglosen Wesen.
„Sehen Sie sich ihre Temperatur an. Fühlen Sie die Hitze auf ihrer Haut? Sehen Sie den hohen Blutdruck trotz des Blutverlustes?
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