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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Flucht vor der Arbeit, nachdem sie mein Zimmer durchwühlt hat?«
    »Du traust mir nicht«, stellte er sachlich fest. »Warum erzählst du Ruben dann nicht, dass ich vorgestern Nacht in deinem Zimmer war? Vielleicht würde er mich rauswerfen und du wärst mich los!«
    Ich ging ein paar Schritte am Fresko entlang. Ich brauchte Abstand zu ihm. Die Antwort wollte und konnte ich ihm nicht geben, weder mit Worten noch mit den Augen. Weil es völlig verrückt war.
    »Das wäre unprofessionell«, sagte ich ebenso sachlich wie er. »Wir arbeiten zusammen. Was auch immer du dir gedacht hast.«
    »Was immer ich mir gedacht habe …?« Cyriel lachte freudlos auf und machte ebenfalls ein paar Schritte. Beinahe sah es aus, als würden wir im Kreis umeinander herumgehen – wie Gladiatoren vor dem Kampf.
    »Das heißt, du misstraust mir nicht, sondern du nimmst mich gar nicht ernst.« Sein Tonfall verriet ihn: Er war verletzt.
    »Wie soll ich jemanden ernst nehmen, der mir Warnungen vor die Füße wirft wie Hühnerfutter?«
    Er kreiste weiter durch den Raum.
    »Hühner picken die Körner immerhin auf, weil sie wissen, dass sie ohne sie umkommen. Du findest sie ja nicht einmal!«
    »Was bedeuten soll, dass ich ohne dich nicht klarkomme?«, entgegnete ich und schritt weiter das Bild ab, als könne ich Cyriel damit ausweichen. Wie konnte er manchmal so nett und manchmal so arrogant sein? »Ich finde die Körner durchaus, aber im Gegensatz zu den Hühnern entscheide ich, welches ich fallen lasse und welches ich fresse!«
    »Ach?«, entgegnete er. Seine Schritte glichen sich meinen an und wir fanden einen gemeinsamen Rhythmus. Einander gegenüber. »So wie die Hinweise im Fresko? Du bemerkst die Unstimmigkeiten, untersuchst sie mit deiner Hightech-Lupe und vergisst sie wieder!«
    Wütend beendete ich meine Kreise und ging ihm quer durch den Raum entgegen. »Woher willst du wissen, was ich vergesse? Oder denke?«
    »Weil du über das redest, was du denkst«, sagte er ernst.
    »Du … Schmalspur-Psychologe auf dem zweiten Bildungsweg!«, zischte ich leise. »Du kennst mich gerade mal ein paar Tage und weißt schon Bescheid. Wie viele Schubladen für Menschen hast du? Zwei? Oder sogar drei?«
    Er holte Luft, um etwas zu antworten, doch er schluckte es hinunter. Sein Blick hatte etwas Wehmütiges. »Kenne ich dich wirklich nicht? Ich weiß, dass du ein gutes Auge für Details hast. Nur wenn es um wichtige Hinweise jenseits deiner Arbeit geht, hörst du nicht zu.«
    »Redest du noch immer von den Hinweisen im Fresko?«, fragte ich provozierend.
    »Zum Beispiel, sie haben auch damit zu tun«, erwiderte Cyriel und verschränkte die Arme.
    Ich bemühte mich um einen professionellen Ton. »Der Rettich zu Gabriels Füßen bedeutete in dermittelalterlichen Symbolik Zank und Streit. Es ist anzunehmen, dass der Maler den Mann, der früher an Gabriels Stelle gestanden hat, nicht leiden konnte oder dass dieser Mann für Zwietracht bekannt war. Schade, dass sein Gesicht und sein Name nicht erhalten geblieben ist, dadurch ist dieser Hinweis wertlos. Die Narzisse lässt mich langsam vermuten, dass der Maler ein bisschen morbide war, denn diese Blume steht für Tod, Auferstehung und Wiedergeburt. Oder es ist einfach Zufall.«
    »Zufall?«, fragte Cyriel mit einem seltsamen Unterton.
    Ich hatte keine Lust, auf seine Miesmacherei einzugehen. »Ja, aber viel spannender finde ich das Eichhörnchen zu Füßen von Herrn Nachtmann. Es war ein Symbol für den Teufel.« Ich zuckte mit den Schultern. »Wäre interessant gewesen, zu sehen, wer da früher gestanden hat, aber er wird wohl wenig mit deinem Arbeitgeber gemeinsam gehabt haben.«
    Cyriel nickte nachdenklich.
    »Oh, und die digitale Armbanduhr ist natürlich auch faszinierend«, fuhr ich fort. »Nach genauer Untersuchung denke ich, sie zeigt 11.55 Uhr. Also fünf vor zwölf.«
    »Und das ist natürlich auch ein Zufall«, erklärte Cyriel mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Vielleicht!«, gab ich zurück. Tatsächlich fand ich es ungewöhnlich, dass der Maler so viele negative Symbole verwendet hatte.
    Ich sah Cyriels forschenden Blick und konnte nicht widerstehen, ihn zu ärgern. »Die Uhr könnte auch bedeuten, dass der Restaurator das Gefühl hatte, die Zeit, die man ihm für die Restaurierung gegeben hat, wäre sehr knapp.«
    In Cyriels Augen loderte erneut Wut auf. Wut, weil ich ihn nicht ernst nahm.
    »Aber ich weiß, was du glaubst«, fügte ich hinzu.
    »Ach? Diesmal kannst du meine Gedanken lesen?

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