Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
Vom Netzwerk:
los. Ohne Licht.
    Den Weg hatte ich mir kurz vorher angesehen und eingeprägt. Trotzdem fühlte ich mich der Dunkelheit ausgeliefert. Irgendwo musste die Wendeltreppe doch sein? Hinter mir hörte ich hastige Schritte. Schritte von Menschen, die sich hier besser auskannten als ich, das war mir klar. Gleich würden sie bei mir sein. Noch einmal ließ ich meine Taschenlampe kurz aufleuchten und verriet mich damit natürlich. Dennoch war es eine Erleichterung, als das Orientierungsgefühl wiederkehrte. Da war die Treppe, genau vor mir! Mit Licht hastete ich die Stufen hinauf, am Geräusch meiner Schritte konnten sie sowieso hören, wo ich war. Als eine Tür ins nächste Stockwerk führte – ins Erdgeschoss? –, schlüpfte ich in diesen schmalen Gang. Die Wände waren bedeckt mit Gemälden, großen Ölschinken. Dazwischen gab es einige Türen. Nur ein paar vereinzelte Fackeln waren nötig, um diesen Gang zu erhellen. Wer mochte sie entzündet haben? Cyriel? Oder ein paar von diesen Verrückten? Und wo zum Teufel waren wir? Ins Erdgeschoss – und noch höher – dürfte keine Treppe führen! Das Haus der Nachtmanns war nicht so groß und direkt daneben stand kein Gebäude. Mein räumliches Vorstellungsvermögen war nicht umwerfend, aber nach den Gesetzen der Logik konnte hier nichts existieren, das so weitläufig war!
    Die Schritte auf der Treppe hinter mir erinnerten mich daran, dass ich dringend ein Versteck brauchte. Hinter der nächsten Kurve entdeckte ich ein Fenster, das mitBrettern vernagelt war. Schade, ich hätte gern gesehen, wie hoch wir waren – und wo wir waren! Aber immerhin! Vor dem Fenster hingen schwere dunkelrote Vorhänge, die ich zuziehen konnte. Die Beine hob ich hoch aufs Fensterbrett, damit meine Füße nicht zu sehen waren. Gerade noch rechtzeitig! Schnelle Schritte näherten sich … und rannten an mir vorbei. Mit angehaltenem Atem wartete ich, ob noch mehr von ihnen kommen würden. Aber mir waren wohl nur wenige gefolgt. Hatten sie das Interesse verloren – oder gab es hier etwas, das ihnen Angst machte?
    Je länger ich hinter dem Vorhang saß, desto unruhiger wurde ich. Ich musste sehen, dass ich wegkam! Vorsichtig spähte ich hinaus und schlich wieder Richtung Treppe. Als ich um die Kurve biegen wollte, hörte ich hinter mir Stimmen. Sie kamen zurück!
    Kurz entschlossen drückte ich die nächstbeste Türklinke und verschwand in dem Raum dahinter, der absolut dunkel war. Gut so, dann warteten hier zumindest keine weiteren Verwirrten auf mich. Voller Anspannung lehnte ich mich gegen die Tür und lauschte. Die Schritte ließen sich Zeit. Sicherheitshalber musste ich wohl etwas länger warten. Schon wieder Dunkelheit! Und schon wieder hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein. Ein Rascheln! Hinter mir war etwas!
    »Wer bist du?«, fragte eine leise Stimme. »Und vor wem versteckst du dich?«
    Ich zückte meine Taschenlampe und leuchtete in den Raum. Er war nicht sehr groß und fast leer, bis auf zwei Matratzen und ein paar Decken, die auf dem Boden lagen. Auf der Matratze an der rechten Wand saß ein Mädchen in meinem Alter. Das hübsche blonde Haar warstark verwuschelt, offenbar hatte es bis eben geschlafen. Dennoch zuckte es nicht zusammen, als der Lichtstrahl es traf. Und es hielt den Kopf geneigt, ohne mich anzusehen, als lausche es auf etwas.
    »Mein Name ist Kira«, sagte ich – bereit zum Sprung, falls die Fremde mich angreifen oder durch einen Schrei verraten wollte.
    »Deine Stimme klingt so jung. Bist du neu?«
    »Ich gehöre nicht hierher«, sagte ich. »Und ich werde auch gleich wieder gehen.«
    Das Mädchen runzelte die Stirn. »Das glauben alle, wenn sie ankommen. Oder kennst du einen Ausgang?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte ich misstrauisch. Ich wollte nicht gleich wieder am Arm gezerrt werden. Um das Mädchen abzulenken, stellte ich eine Gegenfrage: »Warum bist du hier? Du bist auch viel jünger als die anderen.«
    »Mein Name ist Jessy. Und ich bin seit einer Woche hier. Sieben Nächte.« Jessy lächelte mir zu und klopfte auf die Matratze. »Setz dich zu mir und erzähl mir, wie du hergekommen bist. Ich bin so froh, endlich mal jemanden kennenzulernen, der nicht in Rätseln spricht.«
    Während sie so dasaß und ein Stück an mir vorbeisah, begriff ich plötzlich, warum sie vor dem Licht nicht zurückgeschreckt war.
    »Du bist blind«, sagte ich und setzte mich. Auf ein paar Minuten kam es jetzt auch nicht mehr an und sie wirkte sehr sanft und freundlich.

Weitere Kostenlose Bücher