Schattierungen von Weiß
nichts würde dann mehr daran erinnern, dass sie mal hier war.
Sie ging zurück in ihre kleine Pension, öffnete ihren Rucksack und nahm die Schachtel mit den Schlaftabletten.
Sie drückte sie alle h eraus und legte sie vor sich aufs Bett.
Nein, niemand würde sie vermissen, auch Levin würde irgendwann nicht mehr an sie denken.
Mia dachte an ihre Mutter, sie könnte sie wiedersehen, schon ganz bald, es war so einfach, sie musste nur diese Tabletten nehmen und sie waren wieder vereint.
36
Levin ließ sich erschöpft auf sein Hotelbett fallen. Auch heute war er den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, mittlerweile hatte er Zettel drucken lassen mit Mias Foto und sie in Hotels und Restaurants ausgelegt.
Seine Gedanken flogen zu ihr, er schloss die Augen, sah sie vor sich. Irgendwie hatte er Angst, dass ihr Bild irgendwann in seiner Erinnerung verblassen würde, deswegen versuchte er sie sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Alles an ihr liebte er so über alle Maßen. Ihre schönen , ausdrucksstarken Augen, ihren sinnlichen Mund, die blonden Locken und ihren verführerischen weichen Körper.
Er hörte ihr Lachen, ihre Stimme, die so einen angenehm warmen Klang hatte, ein Lächeln flog über seine Lippen , als er daran dachte, wie staunend sie alle neuen Dinge in sich aufnahm.
Er musste sie finden, er musste sie wiedersehen, er durfte sie nicht verloren haben.
„Verdammt nochmal, Mia! Wo bist du denn, du störrisches Weib?“, schimpfte er leise vor sich hin. „Komm zur Vernunft!“
Mia zuckte kurz zusammen, dann schüttelte sie den Kopf. Über was dachte sie hier eigentlich nach?
Sie erinnerte sich zurück an die Zeit in der Anstalt, wie oft hatte sie sich damals gewünscht, frei zu sein?
Und jetzt war sie es, frei und ungebunden, sie konnte tun und lassen , was sie wollte.
‚Niemand hat dir versprochen, dass es leicht werden würde’ , schoss es ihr durch den Kopf.
Vielleicht war sie kein guter Mensch, vielleicht hatte sie die Chance zum Glücklichsein mit der Tötung ihres Vaters verwirkt, vielleicht war die unerfüllte Liebe zu Levin ihre Strafe dafür.
Aber noch war sie da , und ein letzter Rest von Überlebenswillen keimte in ihr auf.
Sie war nicht gut für Levin, aber das bedeutete doch nicht, dass sie nicht auch das Recht hatte , sich einen Platz in der Gesellschaft zu suchen.
Mia schluckte noch einmal, dann räumte sie die Tabletten weg.
Sie spürte, dass es noch nicht an der Zeit war, endgültig aufzugeben.
„Frau Kessler?“
Die ältere Frau, die die Pension betrieb , in der Mia wohnte, sprach sie am nächsten Morgen an.
„Ja?“, Mia sah sie aus müden Augen an, sie hatte wieder einmal schlecht geschlafen, weil sie erschrocken über sich selbst war und weil – natürlich – der Gedanke an Levin sie nicht in Ruhe ließ.
„Sie haben mich doch gestern gefragt, ob ich nicht weiß, wo Leute gesucht werden…“
„Ja“, Mia sah interessiert auf.
„Heute steht in der Zeitung, dass eine Hotelkette in diesem Frühjahr hier eröffnen wird. Und es wird Personal gesucht, hier…“, die Frau legte ihr die Zeitung vor, nur leider verstand Mia die Sprache nicht.
„Ich kann doch kein arabisch“, sagte sie verlegen.
„Natürlich, ich vergaß“, die Frau schlug sich gegen die Stirn. „Ich schreibe Ihnen die Adresse auf, es ist direkt am Meer“, sie holte einen Stift und einen Block. „Gehen Sie doch einfach mal dort hin.“
Mia schaute ihre Vermieterin mit großen Augen an. „Danke… danke…“, stammelte sie nur.
„Nichts zu danken. Ich höre mich auch gerne weiter für Sie um“, zwinkerte die Frau ihr zu.
Mia hatte extra noch einmal ihre Sachen aufgebügelt, sie musste allerdings feststellen, dass ihre Kleidung ihr langsam zu groß wurde. Sie musste einiges abgenommen haben, aber sie wollte auch gar nicht genau wissen, wie viel es wohl war.
Das Hotel war noch nicht ganz fertig, überall wurde noch gearbeitet, aber es gab schon eine besetzte Rezeption, vor ihr standen recht viele Menschen, jüngere und ältere, Mias Hoffnung , einen Job zu ergattern, sank wieder etwas.
Als sie an der Reihe war , wurde sie von einem jungen Mann nach ihren Qualifikationen gefragt, Mia berichtete von ihren Jobs in dem Café und dem italienischen Restaurant.
„Ich würde aber auch die Zimmer putzen oder andere Arbeit verrichten“, fügte Mia eifrig hinzu. Sie war so furchtbar aufgeregt, würde sie wieder scheitern oder endlich einmal Glück haben?
„Sie
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