Schattierungen von Weiß
und liebe Frau. Aber meine Großmutter hat wohl gedacht, dass mein Vater etwas Besseres verdient hätte…“
„Was ich nicht verstehe, ist: Warum hat deine Mutter deinen Vater nicht verlassen? Schon dir zuliebe, um dich zu schützen?“
„Meine Mutter hat ihn geliebt. Sie hat mir immer wieder gesagt, dass er im Grunde ein netter Mann ist und dass nur der Alkohol schuld ist. Und dass sie versuchen will, ihn zu einer Therapie zu überreden“, in Mias Augen war so eine tiefe Traurigkeit, dass es Levin jetzt leid tat, sie darauf angesprochen zu haben. „Sie hat wohl gehofft, dass sie es schaffen wird, ihn davon zu überzeugen.“
„Scheiße“, fluchte Levin, dann nahm er Mia wieder in die Arme. „Ich kann diese Frau nicht verstehen. Sie hat doch noch eine wunderschöne Enkelin , und immerhin bist du doch auch ein Teil von ihm.“
Mia hatte sich ganz fest an Levin gepresst. „Wie kannst du mich lieben, wo du weißt, was ich getan habe?“
„Mia, du bist doch keine Killerin“, er schob sie vorsichtig von sich und sah ihr fest in die Augen. „Ich glaube, jeder kann dich verstehen.“
„Ich habe mich oft gefragt, warum ich nicht einfach weggelaufen bin und Hilfe geholt habe. Auch mit Lydia habe ich das immer wieder durchgesprochen, die Frage quält mich so. Ich habe Angst vor mir und meiner Reaktion von damals, Angst, dass sich so etwas wiederholen könnte. Wer garantiert mir, dass ich so etwas nie wieder tun würde?“, Mias Stimme klang ganz piepsig. „Vielleicht bin ich ja noch gar nicht geheilt, vielleicht lauert da etwas in mir, das ich nicht steuern kann…“
Levin sah sie erschrocken an. „Wie kommst du denn auf so etwas? Mia, das ist doch Blödsinn, du hast im Affekt gehandelt. Jeder Mensch kann in so eine Lage kommen, hat dir das Lydia oder einer der anderen Therapeuten nicht klar gemacht?“
„Doch, das haben sie. Wirklich. Aber ich habe halt immer noch Zweifel“, sie biss sich auf die Unterlippe. „Manchmal sehe ich das genauso wie ihr alle. Und manchmal denke ich, dass ich ein Monster bin und meine Großmutter Recht hat“, Mia schaute ihn fragend an. „Bin ich das?“
„Nein, ganz bestimmt nicht“, Levin küsste ihr auf die Nasenspitze, dann grinste er frech, er musste sie jetzt einfach etwas aufheitern. „Außer im Bett, da kannst du ein ganz schönes Monster sein…“
Mia war perplex, wie konnte er denn jetzt so schnell das Thema wechseln? Aber er guckte so spitzbübisch wie ein kleiner Junge, jetzt musste sie auch kichern. „Ach ja? Wieso denn?“, sie krabbelte auf seinen Schoß und setzte sich rittlings auf ihn.
Levin ließ seine Hände unter ihr Shirt gleiten, streichelte sanft ihre zarte Haut. „Das weißt du ganz genau, mein Engel“, raunte er an ihren Lippen.
27
„Und wenn du es mal hiermit probierst?“, Levin schob Mia eine Anzeige hinüber, dort suchte ein Unternehmen Auszubildende für kaufmännische Berufe.
„Ich weiß nicht, ich glaube einfach, ich habe wirklich keine Chance“, Mia schüttelte den Kopf.
„Du musst es einfach weiter probieren“, Levin streichelte durch ihr Gesicht „Irgendwann wird es schon klappen. Du kannst doch nicht ewig in diesem Caf é arbeiten. Du kriegst mit Sicherheit was Besseres.“
Mia seufzte auf, sie hatte in den vergangenen Wochen über sechzig Bewerbungen verschickt, in ganz verschiedenen Bereichen , und wenn überhaupt eine Reaktion gekommen war, dann war es eine negative gewesen. Und so schlecht fand sie den Job im Café jetzt auch nicht, sie verdiente natürlich nicht besonders viel, aber es reichte immerhin aus, um einen großen Teil des Haushaltsgeldes zu bestreiten, doch sie wollte Levin auch nicht widersprechen, er meinte es ja nur gut.
„Okay, ich schreibe dort hin“, lächelte sie ihm zu.
„Mia, immer, wenn ich dich sehe, siehst du besser aus“, Silke Meier, ihre Therapeutin, empfing sie gewohnt freundlich.
„Dankeschön“, freute Mia sich. Sie mochte die Therapeutin, sie war genauso nett wie Simone Klein, die Sozialarbeiterin.
„Gibt es etwas, das dich beschäftigt? Was macht die Suche nach einer Lehrstelle?“
„Ich habe noch keinen Erfolg gehabt. Scheinbar wirkt meine Vergangenheit zu abstoßend auf die Leute“, erklärte sie ihr zerknirscht.
„Abstoßend würde ich das nicht nennen. Aber wenn man die Wahl hat zwischen mehreren Bewerberinnen, dann sucht man sich die heraus, bei denen man nicht das Gefühl hat, es könnte Probleme geben. Leider machen viele Leute dicht, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher