Schatz, schmeckts dir nicht
ein unkalkulierbares Risiko ein?
Als sie zu ihr hinübersah, schenkte ihr Diane über den Tisch ein Lächeln, begleitet von ihrem wissenden Blick. Helene lächelte zurück. Die kleine Meinungsverschiedenheit über das Leben im Einklang mit der Natur schien vergessen. Eines war auf jeden Fall klar: Trotz allen esoterischen Tralalas – Gedanken lesen konnte auch Diane nicht. Es wurde langsam Zeit für das Dessert.
Helene sammelte das Geschirr ein, nahm Käse, Brot und Butter vom Tisch und verließ die Frauen, um in der Küche ihres Amtes zu walten. Sie setzte schon mal den Mokka auf und stellte die Schälchen mit Gebäck und Pralinés zusammen mit Mokkatassen und Cognacschwenkern auf ein Tablett.
Ihre Spannung wuchs mit jedem Handgriff. Sie öffnete den Kühlschrank und holte das Tablett mit den sechs Pokalen aus Porzellan heraus, in die sie ihre Nachtischkreation gefüllt hatte. Über einem mit Amaretto getränkten, lockeren Biskuit, häufte sich eine luftige Creme aus Mascarpone, Eiern und pürierten Aprikosen, die noch ein Häubchen geschlagener Sahne krönte. Jeden der hübschen Pokale zierte ein anderes Blumenmotiv. Sie waren mit einem Goldrand geschmückt und eigentlich als Gefäße für heiße Schokolade gedacht. Helene hatte sie auf dem Flohmarkt erstanden. Sie trug das Tablett auf die Terrasse und erntete ein lustvolles Seufzen und Stöhnen, als sie den einzelnen ihre Portion kredenzte. Vor Diane stellte sie den Pokal mit dem Vergissmeinnicht.
»Willst du uns umbringen, Helene?«, jammerte Ulli in gespielter Verzweiflung und griff sofort nach ihrem Löffel. Helene brachte als Antwort nur ein schiefes Lächeln zustande.
Anders als beim Käse, bedurfte es hier jedoch keiner Überredungskünste, um auch die anderen Gäste zum Verzehr zu bewegen. Einzig Diane, die immer fürchtete, etwas könne ihrem Gaumen zu süß sein, hielt sich zurück. Ulli, die neben ihr saß und in vollen Zügen genoss, erinnerte sich wohl dieser Eigenheit und versicherte, dass der Nachtisch sehr fruchtig und überhaupt nicht süß sei. Diane nahm wohl eher aus Höflichkeit, denn aus Überzeugung den Löffel in die Hand. Von drinnen hörte man das Geräusch der sich öffnenden Wohnungstür und kurz darauf betrat Jan die Terrasse.
»Guten Abend, Ladies! Ich will überhaupt nicht stören, euch nur kurz begrüßen.«
Und er machte die Runde. Damit hatte Helene eigentlich nicht gerechnet, dass er schon vor Mitternacht aus dem Büro nach Hause kommen würde. Da sie weder daran, noch am Lauf der Dinge etwas ändern konnte, beschloss sie, sich nicht zu ärgern und lieber die Ruhe zu behalten. So sagte sie nur, als er ihr zur Begrüßung einen Kuss gab: »Hallo Schatz! Du schon hier? Hätte ich gar nicht erwartet.«
»Tja, ich kam irgendwie nicht so richtig voran und da habe ich lieber Schluss gemacht, statt mich frustrieren zu lassen.«
»Richtig so.«
»Ich ziehe mich auch gleich wieder aus eurem Damenkränzchen zurück.«
»Jan, ich würde dich ganz gerne noch mal sprechen!« Mit einem schuldbewussten Lächeln in Richtung Helene, legte Diane ihren Löffel beiseite und schob ihren Stuhl zurück.
»Ich sprenge doch damit jetzt nicht unseren Damenabend, wenn ich kurz mit einem Angehörigen des anderen Geschlechts spreche, oder Helene?«
In diesem Moment hätte Helene sie am liebsten schon in der Hölle gesehen. Doch sie konnte nur ohnmächtig zuschauen, gute Miene zum bösen Spiel machend, wie Diane mit ihrem Mann nach drinnen verschwand. Ihren Nachtisch hatte sie nicht angerührt.
Ihre anderen Gäste hatten von ihrem inneren Kampf nichts mitbekommen. Sie löffelten versonnen bis begeistert ihre Pokale mit der wunderbaren Aprikosennachspeise leer, nun wieder munter plaudernd.
»Ich habe das Gefühl, je älter ich werde, desto größer wird mein Appetit auf Süßes. Früher mochte ich gar keine Schokolade oder Marzipan. Jetzt hole ich mir manchmal eine Tüte Trüffel aus dem Café Merheim und ich sage euch, die esse ich an einem Abend locker allein auf!«
Susanne schwankte zwischen Schockiertsein und Begeisterung über ihre abartigen Gelüste.
»Du kannst dir das doch leisten bei deiner Figur, und ich finde nichts schlimmer, als sich sein ganzes Leben irgendwas zu verkneifen. Wenn du das nicht siebenmal die Woche machst.«
Helene musste wieder staunen, wie sehr die früher so strenge Elfriede sich doch verändert hatte. Sie schaute nervös auf die Uhr. Schon fast eine halbe Stunde war Diane jetzt bei Jan. Sollte sie den
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