Schatz, schmeckts dir nicht
in einer Zeitschrift zum Thema Ernährung gelesen. Irgendwas mit Instinkternährung oder so ähnlich. Wirklich sehr interessant! Du isst das, was dein Körper für richtig hält, und das soll total gesund sein!«
Alle blickten die wohlgenährte Ulli mit belustigter Skepsis an und die dezente Dorothea meinte: »Also, ich weiß nicht, Ulli. Ich glaube nicht, dass ausgerechnet dir diese Art der Ernährung guttäte, denn …«
Der Rest ihrer Ausführungen ging in allgemeinem Kreischen unter.
»Die Menschen, die sich so ernähren, man nennt sie Instincto-Esser, müssen einen langen Reinigungs- und Erkenntnisprozess hinter sich bringen.«
Erstaunt ob des plötzlich so ernsthaften Tones wandten sich alle Gesichter zu Diane, die weiter ausführte:
»Man muss sich das so vorstellen, dass unser natürliches Geschmacks- und Geruchsempfinden durch die industriell hergestellten Nahrungsmittel völlig verkümmert ist. Konservierungsstoffe, künstliche Aromen und andere chemische Hilfsmittel haben uns um unsere natürlichen Fähigkeiten gebracht, selbst zu wissen, welche und manchmal auch, wie viel Nahrung für unseren Körper gut ist. Um die alten Instinkte wieder freizulegen, bedarf es einer längeren Fastenphase, auch um die ganzen Industriegifte aus dem Körper zu kriegen und dann fängt man ganz langsam an, sich seine Ernährung im Einklang mit der Natur, entsprechend unserem Lebensbereich und der Jahreszeit aufzubauen. Yoga und Meditation können einem dabei viel helfen. Bis jemand dann wirklich seinem Instinkt bei der Auswahl des Essens vertrauen kann, vergehen Monate, wenn nicht Jahre. Gefastet habe ich selbst auch schon, aber ganz meinen Instinkten zu vertrauen, habe ich noch nicht geschafft. Doch ich kann mir schon vorstellen, dass das eine sehr interessante Erfahrung ist.«
Während Diane zum ersten Mal an diesem Abend einen ihrer sonst üblichen Monologe hielt, spürte Helene wieder, wie ärgerlich sie das machte. Sie war schlicht genervt von der überbordenden Toleranz dieser Frau für jede auch noch so abgefahrene Idee, Hauptsache irgendwie spirituell. Dieser Anstrich von Weisheit, den sie sich damit gab – unerträglich. Und Jan hatte sie voll mit dieser Masche eingewickelt. Aus einem schlichten Bauvorhaben war eine ganzheitliche Selbsterfahrung geworden. Wer weiß, zu welchem Guru sie ihn auf Lanzarote schleppen wollte!
»Wir leben im 20. Jahrhundert! Wir wohnen in großen Städten, in Häusern aus Stein oder Beton, bedienen uns elektrischer Geräte, sind weltweit computervernetzt und fahren Luft verschmutzende Autos oder reisen mit Flugzeugen – zum Beispiel nach Lanzarote. Unsere Lebensmittel bauen wir nicht im eigenen Garten an, sondern müssen sie kaufen, im Supermarkt oder Naturkostladen – wo auch immer. Wie soll man da auf seine Instinkte hören?«
»Genau das meine ich doch, Helene!«
»Moment! Ich will damit sagen, dass ich das für eine ziemlich weltfremde Lebensweise halte, um nicht zu sagen, geeignet für ein paar abgefahrene Spinner, die sonst keine Probleme haben!«
»Ich finde das jedenfalls ein sehr mutiges, radikales Verhalten. Wahrscheinlich könnte ich das nicht, obwohl – man müsste es mal probieren. Und ich verstehe nicht, wieso du so heftig darauf reagierst!«
Es war Helene ziemlich unangenehm, ihre sonst geübte Zurückhaltung Diane gegenüber aufgegeben zu haben.
»Wenn ich auch mal was dazu sagen darf?«, fragte Elfriede mit einem netten Lächeln. »Ich halte von solchen sehr ausgefallenen Ernährungsformen gar nichts, höchstens als Diät im Krankheitsfall, aber nicht für den Alltag. Wenn jemand nur damit beschäftigt ist, darüber nachzudenken, was er essen darf, weil er eine so besondere, eben anormale Art der Ernährung betreibt, dann kann das auch zu einem Selbstzweck werden. Ich kenne Leute, die direkt strahlende Augen kriegen, weil sie diese oder jene Zutat in einem Müsli oder einem Aufstrich entdecken, und dann triumphierend sagen können: Tut mir leid, Honig darf ich nicht!«
Elfriede hatte offensichtlich reichlich Erfahrung bei ihrer Kundschaft gesammelt.
»Und ich glaube«, schloss Helene an, »jeder, der eine wirklich gute Küche pflegt, lebt auch im Einklang mit der Natur. Er kauft auf dem Markt die der Jahreszeit entsprechenden Produkte, bereitet alles frisch zu, nimmt keine Konserven, keine künstlichen Zusatzstoffe. Und da gibt es auch Regeln: Von Mai bis Johanni ist Spargelzeit, nur in Monaten mit R gibt es Karpfen, heimische Erdbeeren im Juni,
Weitere Kostenlose Bücher