Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatz, schmeckts dir nicht

Schatz, schmeckts dir nicht

Titel: Schatz, schmeckts dir nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
Vom Netzwerk:
Nase und wischt sich die feuchten Augen)
    Aber das eine kann ich Ihnen wohl sagen: Gemocht hab ich sie nie.

Kapitel IV
    Auch in den ersten Wochen des neuen Jahres hielt der Frost Mitteleuropa weiter fest im Griff. Auf dem Lande froren die Wasserleitungen ein, und Einzelgehöfte und Dörfer mussten aus Tankwagen mit Trinkwasser versorgt werden. So etwas hatte es schon seit langer Zeit nicht mehr gegeben und die Medien redeten bereits einem Jahrhundertwinter das Wort. Für die gut eingerichteten Städter änderte sich kaum etwas. Allenfalls lieferte der hart gefrorene Boden Omas und kleinen Kindern endlich eine Berechtigung zum Füttern der Stadtvögel, und in den Zeitungen konnte man täglich über die Not der Obdachlosen bei diesen sibirischen Temperaturen lesen und Geld, Decken, warme Kleidung und Lebensmittel spenden.
    Helene war viel zu beschäftigt, um von den Auswirkungen der harten Frostperiode Notiz nehmen zu können. In der ersten Januarwoche hatte sie gleich mit Steinberger, dem Intendanten des Schlosstheaters, ein Treffen vereinbart und sich mit ihm in der Kantine zu einem ersten Gespräch zusammengesetzt. Er wollte Anfang März Shakespeares ›Viel Lärm um nichts‹ bringen und Mitte Mai sollte ein hoffnungsvoller, neuer Regisseur inszenieren.
    »Der Wittgenschläger, haben Sie vielleicht schon mal gehört. Na ja, ist so ein richtiges Arbeitstier, ein Berserker, sagt die Kritik. Recht so. So einer war ich auch mal. Man wird noch früh genug kastriert in diesem Subventionsbettelbetrieb. Der Wittgenschläger wird die Arbeit einer Zeitgenossin auf die Bühne bringen. Der Name der Dame ist mir entfallen. Ich hab den Kopf aber auch so voll mit profanem Verwaltungskram! Ihr Werk jedenfalls heißt ›Kunststück‹ und ist eine bitterböse Satire auf den Kulturbetrieb. Der Wittgenschläger meint, es wird ein Knaller, und ich vertrau ihm da voll und ganz.«
    Vor den Theaterferien sollte im Juni noch ›Salomé tanzt nicht mehr‹, eine Art Collage mit Gesang und Spielszenen um das biblische Salométhema folgen.
    »Das Publikum ist so übersättigt heute. Die sind so abgefüllt von dem Medienspektakel, das ihnen Tag für Tag geboten wird. Das Volk schreit nach Skandalen, Dramen, Katastrophen – das Leben eine ununterbrochene Doku-Soap! Es genügt nicht einzukaufen, nein, es muss ein Erlebniseinkauf sein. Es genügt nicht mehr Essen zu gehen, nein, die Kellner müssen beim Tranchieren steppen und mit den Gänsekeulen jonglieren – Erlebnisgastronomie! Und die Rauch- und Pinkelpause bei uns im Theater – Sie werden entschuldigen – wird umgemodelt zum kulinarischen Erlebnis! Da liegen wir mit der blutrünstigen Salomé gut im Trend, und Sie servieren dazu Roastbeef – bloody.« Steinberger hatte sich in Schweiß geredet und zog nach längerem Wühlen ein überdimensionales Stofftaschentuch aus seiner Jackentasche, um sich die Tröpfchen von der Stirn zu tupfen. »Aber was tun wir nicht alles für das hochverehrte Publikum! Es will Brot und Spiele – es soll sie haben!« Nach einer kleinen, dramatischen Pause fuhr er fort: »Ich habe mir das so vorgestellt: Zur Premierenfeier ein Büffet, das die Zeit, das Land, wenn möglich sogar die Stimmung des Stückes reflektiert. Speisen und Getränke, Geschirr, Gerätschaften, Dekoration – ich will Authentizität. Sie verstehen! Sie haben für die Ausstattung sämtliche Möglichkeiten, die unser Theater bietet.« Er versah diese Aussage mit einer großen Geste.
    »Kosten darf es natürlich nichts. Wir müssen sparen, sparen, sparen! Ihre Gage kann ich leider auch nur sehr knapp bemessen. Aber wir sind hier eben alle Idealisten und ich glaube, in Ihnen auch so eine seltene Spezies entdeckt zu haben, nicht wahr?« Für Sekundenbruchteile ließ er so etwas wie ein charmantes Lächeln seine sorgenvolle Miene erhellen und neigte sein imposantes Haupt näher zu Helene, um die Wirkung seiner Worte besser spüren zu können. Tatsächlich war Helene in der glücklichen Lage, die finanzielle Ausbeute des Jobs ignorieren zu können. Auch wenn ihr dieser Theatermensch mit seinen weit ausholenden Gesten und vielen Worten um Nichtigkeiten nicht sonderlich zusagte, das Angebot war zu verlockend, um sich von solchen Kleinigkeiten irritieren zu lassen.
    Geplant war, bei den folgenden Aufführungen in den Pausen statt der üblichen Lachsbrötchen, den Würstchen, Brezeln und dem schalen Sekt, dem zahlenden Publikum eine kleinere Auswahl der zur Inszenierung passenden

Weitere Kostenlose Bücher