Schatz, schmeckts dir nicht
Spezialitäten anzubieten, um den Theaterabend auch hier zu einem Erlebnis zu machen. Natürlich sollte Helene auch einigen Proben beiwohnen und sich mit Bühnenbildner und Kantinenchef in Verbindung setzen.
»Ich setze mein ganzes Vertrauen in Sie, meine Liebe! Hier ist der Text von unserem Shakespeare, zum Einlesen und Einfühlen. Machen Sie das Beste draus! Toi, toi, toi! Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich an mein Büro. Leben Sie wohl!« Mit großen Schritten stürmte er davon. Helene besah sich noch einmal das Foyer und war von dem stilvollen Ambiente mit Spiegeln, Kronleuchtern, Marmorsäulen mit vergoldeten Kapitellen und Intarsienparkett ganz angetan. So durfte der Rahmen für ihre Werke schon aussehen. Und sogleich stürzte sie sich mit Elan in die Vorarbeiten. Der Herr Intendant konnte mehr als zufrieden mit seiner Neuerwerbung sein.
Es gab Zeiten, da hörte und sah Helene von Susanne wochenlang nichts, zumal, wenn kein Projekt in der Galerie anstand. Doch seit Silvester pflegten sie wieder regen Kontakt: Am Neujahrsmorgen hatte Susanne ihren Michael vor die Türe gesetzt, denn der junge Wilde hatte nicht mit einer Gruppe von Landsleuten, sondern nur mit einem einzigen weiblichen Wesen Silvester gefeiert. Und das in Susannes Wohnung. Sie hieß Tanja und seinen Erzählungen nach kannte er sie schon aus seiner Heimat.
»Das Mädel hättest du sehen sollen! Blutjung!«, klagte Susanne angewidert, »und dann redet der von einer uralten Beziehung! Pah!«
Helene jedenfalls war für klare Verhältnisse und lobte Susannes Entscheidung, den Treulosen aus ihrer Wohnung zu entfernen, zumal er wohl auch nichts Erwähnenswertes zu seiner Verteidigung vorzubringen hatte. Susanne aber, wieder allein, bereute bereits ihre Handlungsweise im ersten Affekt und weinte ihrem verlorenen Lover bittere Tränen nach.
»Susanne, der ist es nicht wert, dass du dir die Augen nach ihm ausheulst! Außerdem bist du doch in der glücklichen Lage, durch deine beruflichen Kontakte relativ leicht wieder jemanden kennen zu lernen. Du siehst gut aus, du bist erfolgreich und ein ganz lieber Mensch kannst du ja auch manchmal sein.«
»Aber ich habe ihn geliebt, verstehst du! Wenn man so lange wie du schon verheiratet ist, kennt man die großen Gefühle wahrscheinlich nicht mehr. Du von deinem langweiligen, aber sicheren Ehehafen aus, hast da natürlich gut reden!«
Helene überhörte einfach die Unterstellungen ihrer Freundin. Es war immer dasselbe: Im Grunde wünschte Susanne sich nichts sehnlicher als den Mann fürs Leben, sprich zum Heiraten, aber solange sie solo war, ließ sie an der Ehe und an einer langjährigen sowieso, kein gutes Haar. Da Helene weder Anlass zu Neid noch zu Schadenfreude geben wollte, hatte sie ihre Beziehung zu Jan noch nie zum Mittelpunkt ihrer Gespräche gemacht. Susanne war zwar ihre beste Freundin, über Männer im Allgemeinen teilten sie ihre kritischen Ansichten, doch Schwierigkeiten mit dem eigenen klärte oder beseitigte Helene lieber selbst. Darin sah sie auch einen Grund für die Stabilität und den Erfolg ihrer Ehe.
Außerdem badete Susanne gerne in großen Gefühlen und ließ sich immer wieder davon einlullen. Das konnte ja nicht gut gehen!
»Nächstes Mal musst du eben besser aufpassen, was sich um deinen Herzbuben herum so abspielt. Nicht gleich vor Liebe blind werden!«
»Nächstes Mal? Ich werde 40 in drei Monaten!«
»Ja und? Hast du dann das Verfallsdatum für Singles überschritten, oder wie? Jetzt sei bitte nicht albern.«
Wenn eine Packung Papiertaschentücher sich dem Ende neigte, Helene ihr immer wieder versichert hatte, wie gut und jung sie aussah, wie intelligent und liebenswert sie war, und dass es mit Sicherheit viele Männer gab, die sich glücklich schätzen würden, ihr nahe zu sein, sie dann auch noch Namen nannte, dann endlich kam die Wende.
»Was der? Meinst du wirklich? Das ist mir noch nie aufgefallen, dass der mich so toll findet. Muss ich direkt mal drauf achten. Aber eigentlich ist der ja gar nicht mein Typ. Der wirkt so gehemmt, so spießig.«
Und schon wurde Susanne zu Helenes Erleichterung wieder wählerisch – ein gutes Zeichen!
Diese Treffen und Telefonate nahmen natürlich viel Zeit in Anspruch, dazu noch die Recherche für das Theaterbüffet, der häusliche Alltag – Helene war voll eingespannt. Sie und Jan sahen sich oft erst spätabends, manchmal nicht einmal das, denn er blieb jetzt wieder häufig lange im Büro. Der Gedanke daran
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