Schatzfinder
denn sie war sich selbst nichts mehr wert. Sie verachtete sich selbst so sehr, dass sie sich nicht gut genug fand, auf der Matratze zu schlafen: Sie kauerte sich auf den Holzboden wie ein Hund. Über Wochen lag sie in ihrem Schlafzimmer vor ihrem Bett herum und wollte einfach nur noch elend verrecken.
Plötzlich überkam sie die Überzeugung, dass man sein Leben ändern kann.
Irgendwann hatte sie dann eine Eingebung. Plötzlich überkam sie die Überzeugung, dass man sein Leben ändern kann. Dass man es selbst kann, und dass es einfach geht. Sie stand auf, wusch sich, räumte auf und begann, ein Buch zu schreiben. Das wurde ein riesiger Erfolg und änderte alles in ihrem Leben. Heute ist sie für viele Menschen ein Vorbild und verbreitet in der ganzen Welt ihre einfache, auf vier Schritten beruhende Selbstcoaching-Methode
The Work
, mit der Menschen hemmende und Stress auslösende Überzeugungen überwinden können. Sie ist sich sicher: Ohne die beinahe tödliche Krise hätte sie den Durchbruch nicht geschafft.
Kinder entwickeln sich genauso in Schüben. Eine neue Phase, ein neuer Entwicklungsschub wird oft durch eine Krankheit eingeleitet,und einige Tage später können sie etwas, was sie vorher nicht konnten.
Die Zerstörung ist notwendig, damit sich Neues entfalten kann, und ist nicht etwa ein Systemfehler.
Ich glaube, wir müssen das menschliche Scheitern neu bewerten. Man könnte es zu einem menschlichen Prinzip machen. Vielleicht brauchen wir Kriege, um anschließend bessere Gesellschaften aufzubauen. Vielleicht brauchen wir die Finanzkrise, um anschließend ein menschliches Finanzsystem zu errichten. Damit etwas Neues entstehen kann, muss das Alte zusammenbrechen, wie der große österreichische Ökonom Joseph Alois Schumpeter mit seinem Konzept der »schöpferischen Zerstörung« beschrieb. Die Zerstörung ist notwendig, damit sich Neues entfalten kann, und ist nicht etwa ein Systemfehler. Friedrich Nietzsche schrieb in seinem Werk
Also sprach Zarathustra
: »Wer ein Schöpfer sein will im Guten und im Bösen, der muss ein Vernichter sein und Werte zerbrechen.«
Dieser Gedanke ist in seiner letzten Konsequenz nur schwer auszuhalten. Helfen und bewahren kann manchmal mehr Leid verursachen als Krise und Schmerz. Es ist wie bei einem Schmetterling, dem ein Mensch beim Schlüpfen zuschaut. Der Schmetterling kämpft sich über mehrere Stunden hinweg Millimeter für Millimeter durch das scheinbar viel zu enge Loch im Kokon. Als der Schmetterling schließlich schon halb herausschaut, scheint er steckenzubleiben. Nichts geht mehr vorwärts. Das Tier pumpt und drückt, aber es kommt nicht mehr weiter heraus.
Da hält es der Mann nicht mehr aus. Er will der Kreatur helfen, er nimmt eine Nagelschere und schneidet vorsichtig den Kokon auf. Sofort rutscht der Schmetterling heraus. Aber er ist verkrüppelt und hat zerknitterte Flügel, ist flugunfähig und darum zum baldigen Tode verurteilt.
Die Natur hat es so eingerichtet, dass das Drücken und Schieben durch den schmalen Ring des Kokons die Flüssigkeit in die Flügel drückt, damit diese sich entfalten können. Indem derMann diesen Prozess unterband, griff er in den natürlichen Ablauf von Schmerz, Krise, Durchbruch und Erfolg ein.
Manchmal sind Schmerz und Leid und das Ringen und Winden genau das, was wir benötigen, um hinterher zu unserer ganzen Größe aufzusteigen.
Wenn ich an dieses Beispiel denke, überkommt mich immer ein ungutes Gefühl, was den Kaiserschnitt bei Menschen angeht. Aber so ein Gedanke ist natürlich politisch höchst unkorrekt, und ich will ihn darum lieber nicht verfolgen. Fest steht für mich jedenfalls: Manchmal sind Schmerz und Leid und das Ringen und Winden genau das, was wir benötigen, um hinterher zu unserer ganzen Größe aufzusteigen.
Wenn wir durch unser Leben ohne Hindernisse gehen dürften, würden wir so übergewichtig, faul und unglücklich werden wie viele Jugendliche in den Arabischen Emiraten, die schon als Millionäre auf die Welt kommen. Wir wären nicht so stark, wie wir sein könnten, und niemals fähig zu fliegen.
Aber nicht nur Hindernisse, Hürden und Engstellen brauchen wir augenscheinlich, sondern manchmal auch einen totalen Zusammenbruch – ohne den wir den Durchbruch nicht schaffen.
Mein eigenes Leben drehte sich, als ich 24 war. Ich hatte Schwierigkeiten beim Atmen und ging zum Arzt. Er diagnostizierte ein Lungenemphysem, also eine Überblähung der Lungenbläschen, eine ziemlich schlimme Sache, die zu
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