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Schatzfinder

Schatzfinder

Titel: Schatzfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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wildem Blick die Zähne. Doch dann stutzte er.
    Sein Gegner, der junge Indianer, stellte sich völlig selbstsicher vor ihm auf und war so kühn, seinen Tomahawk wegzuwerfen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Dann zog er in aller Ruhe sein Messer und fasste es an der Klinge an. Der Krieger war auf der Hut. Würde der Jüngling das Messer werfen?
    Aber nein, er fasste es mit beiden Händen auf eine Weise, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Und dann hob er das Messer über den Kopf. Was war das? Verunsichert blinzelte der Krieger zu seinen beiden Brüdern hinüber. Auch die waren verblüfft und starrten den fremden Jüngling an.
    Der Krieger stampfte ein paar wilde Schritte auf den Jüngling zu und rief den Schlachtruf seines Stammes. Aber anders als alle Gegner, die er in seinem Leben zuvor gehabt hatte, blieb dieser junge Mann einfach gelassen und aufrecht stehen und sah ihn direkt an.
    Und dann schloss er die Augen!
    Vorsichtig näherte sich der Krieger seinem merkwürdigen Gegner, er war auf eine blitzschnelle Bewegung gefasst. Doch der hielt seine Augen geschlossen und bewegte sich keine Strohhalmbreite. Welche Selbstsicherheit! Er war mit großer Selbstverständlichkeit in diese merkwürdige Angriffsstellung gegangen. Was ist das nur für ein Krieger?
    Ihn verließ der Mut.
    Dieser junge Krieger, dachte er, musste über außerordentliche Fähigkeiten verfügen. Sonst könnte er jetzt nicht die Augen schließen. Und er musste sehr mutig und ehrenhaft sein, denn er ist schließlich zum Kampf zurückgekehrt. Und schon bei ihrer ersten Begegnung war ihm aufgefallen, wie kühl und tapfer der junge Mann geblieben war, als er ihn gestellt hatte. Dieser junge Krieger war sich seiner Fähigkeiten offenbar so sicher, dass er keine Angst kannte. Wahrscheinlich war es ein außerordentlich starker Kämpfer. Offensichtlich musste er, der erfahrene, kampferprobte Krieger, nun damit rechnen, gleich mit einer blitzschnellen Bewegung getötet zu werden. Er wollte aber nicht sterben!
    Er beugte ein Knie und sprach den Jüngling an: »Ich bitte dich, tapferer Krieger. Töte mich nicht. Bitte vergib mir, dass ich dir aufgelauert habe. Verschone mich! Nimm meine Halskette zum Zeichen deines Sieges. Dein Weg ist frei.«
Schleichendes Leid
    Diese Geschichte habe ich frei erfunden. Na, nicht ganz frei, ich habe eine ähnliche Geschichte, die in Japan spielt und die ohne Angabe einer Quelle frei im Netz kursiert, als Grundlage genommen. Die Geschichte zeigt für mich einen Menschen, der alle Hoffnung fahren lässt und sich in einem unauflösbaren Dilemma einfach für den einen der beiden möglichen Abgründe entscheidet, und zwar mit allerletzter Konsequenz. Und gerade in dem Moment, als er alles loslässt und zum größtmöglichen Zusammenbruch,nämlich dem Tod, bereit ist, gelingt ihm sein großer Durchbruch. Er durchstößt die Mauer des Dilemmas und findet den völlig unwahrscheinlichen dritten Weg, ohne ihn gesucht zu haben.
    Im Moment unserer größten Schwäche liegt unsere größte Stärke verborgen.
    So wie ich die Welt sehe, steckt in dieser Geschichte eine tiefe Wahrheit, die ich selbst täglich so spüre, die ich zigmal in den Geschichten anderer erkannte und die ich mehr als einmal am eigenen Leib erfahren habe: Um trotz aller Zweifel, trotz aller Unsicherheit, trotz aller Dilemmata weiterleben zu können, brauchen wir einen Durchbruch. Und dieser Durchbruch bedingt zunächst einen Zusammenbruch, so paradox das klingt. Im Moment unserer größten Schwäche liegt unsere größte Stärke verborgen.
    Solche Zusammenbrüche sind oft die einzige Chance, die wir haben, um unserem schleichenden Leid zu entkommen und etwas wirklich grundlegend zu ändern. Dieses schleichende Leid ist eine der hässlichsten, würdelosesten Eigenschaften unseres Lebens. Beispielsweise die Überschuldung: Die täglichen Millionen Euros, die alle demokratischen Staaten, Länder und Gemeinden zum Stopfen der obligatorischen Haushaltslöcher aufnehmen, sind angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen nicht der Rede wert, aber plötzlich sind Jahre und Jahrzehnte vorbei, und der Schuldenhaushalt beginnt, die Regierungen zu erdrücken und die Handlungsspielräume einzuengen, die Konditionen zur Aufnahme frischen Geldes verschlechtern sich, der Kapitalmarkt sperrt sich immer mehr gegen neue Kreditvergaben, aber die alten Schulden werden zur Zahlung fällig, was nur mit neuer Kreditaufnahme zu machen ist, und plötzlich wacht eine Gemeinde, ein Land oder ein

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