Schatzfinder
Kind.
Wir müssen lernen, das Unerwartete zu erwarten, im Leben unterwegs zu sein wie dieses Kind, wie Kolumbus auf dem Ozean: Nicht wissen, wo man ist, nicht wissen, wohin man fährt, und wenn man ankommt, noch immer nicht wissen, wo man ist. Und trotzdem Großartiges tun! Er entdeckte Indien, oder?
Und bitte, ich meine natürlich nicht das Gefühl der Freiheit, das wir uns in den größten Momenten der Unfreiheit vorgaukeln: Wenn wir uns fühlen wie die Vögel am Himmel, dabei aber nur im Kinosessel sitzen und zuschauen, wie Leonardo di Caprio und Kate Winslet mit ausgebreiteten Armen am Bug des Ozeandampfers stehen und Celine Dion dazu »My Heart will go on« schmachtet.
Oder die Freiheit, sich eine Harley-Davidson zu kaufen und in Chopper-Joppe über den Asphalt zu brettern und sich zu fühlen wie Dennis Hopper und Peter Fonda in
Easy Rider
.
Oder die Freiheit, sich ein Cabrio zu kaufen – oben offen und vorne mit Airbag und Knautschzone.
Oder die Freiheit, beim Rauchen an eine Herde wilder Pferde und ein Lagerfeuer in der Prärie zu denken, die uns die Werbung in den Kopf gepflanzt hat.
Oder die Freiheit, sich beim Bungee-Jumping einen Wirbelsäulenschaden zu holen.
Ich meine keine Ersatz-Adrenalinkicks, sondern die echte Freiheit.
Und diese Freiheit spielt sich zuerst im Innern ab. Erst dann zeigt sie sich außen.
Wer dem Weg eines Vorbilds nachfolgt, läuft Gefahr, seinen eigenen Weg zu verlieren.
Zum Beispiel bei Siegfried Weiser, dem Inhaber der Kosmetikfirma La Biosthetique. Er wäre für mich ein echtes Vorbild, wenn ich mit dem Begriff Vorbild nicht solche Schwierigkeiten hätte. (In aller Kürze: Wer dem Weg eines Vorbilds nachfolgt, läuft Gefahr, seinen eigenen Weg zu verlieren.)
Aber Siegfried Weiser ist auf jeden Fall eine herausragende, inspirierende Persönlichkeit, einer dieser Menschen, die ihren Weg gefunden haben. Ich war öfter bei ihm in der Firma zur Weihnachtsfeier eingeladen und habe mit ihm, seiner Familie und seinem Team gefeiert. Und das hat mich nachhaltig beeindruckt. Es war ein großes Fest, alle waren da – auch ehemalige Mitarbeiter, die schon längst in Rente waren. Die gegenseitige Loyalität – das Commitment – der Mitarbeiter, aber auch der Chefs war dort so groß, wie ich es noch nirgends erlebt habe. Beispielhaft über die Grenzen der Branche hinaus.
Die Weisers unterstützen alle möglichen Dinge und verknüpfen das dann mit ihrer Firma. In China haben sie mal jemandem unter die Arme gegriffen – und im Zuge dessen gleich die chinesische Niederlassung gegründet. Ein andermal haben sie dafürgesorgt, dass ein Zirkus überleben kann. Seitdem spielt der Zirkus Sondervorstellungen auf ihren Firmenveranstaltungen.
Wenn ich von den Weisers für einen Vortrag engagiert wurde, dann habe ich immer in den besten Suiten geschlafen, man hat sich um mich gekümmert, nur vom Feinsten, mein Preis wurde ohne Diskussionen mit größter Selbstverständlichkeit bezahlt. Aber genauso selbstverständlich haben sie von mir die bestmögliche Leistung erwartet. Diese Denke hat mir gefallen.
Man könnte Siegfried Weiser so viele Millionen geben, wie man wollte, er würde keinen anderen Job machen. In einem Interview mit der
Welt
sagte er: »Ich hatte Angebote. Aber warum soll man etwas verkaufen, das man liebt, das man groß gemacht hat, mit dem man lebt, von dem man lebt, und vor allem, wenn man noch Kinder hat, die fähig sind und die die Firma gern und gut weiterführen? Sollte ich verkaufen, um für viel Geld in Südfrankreich auf einem Schiff meine Zeit zu vertun? In der Sonne Krebs bekommen? Alle Bücher lesen und mich zu Tode langweilen nach nur einem halben Jahr? Danke nein.«
Bei allem, was er tut, ist er offen, aufmerksam und achtsam. Er tut, was er will, und verbreitet um sich den Eindruck, niemals etwas tun zu müssen. Ich glaube ihm das auch. Wenn man einfach das tut, was man liebt und was man selbst für richtig hält, wenn man für das, was man liebt, bereit ist zu sterben, dann ist das ein gutes Zeichen.
Sicher ohne Sicherheit
Das, und genau das ist der Grund, warum ich mich so vehement dafür einsetze und Ihnen gegenüber für die Freiheit plädiere! Und warum wir uns nicht zu sicher sein dürfen. Wir haben tausend Angewohnheiten, die uns unfrei machen, die wir gar nicht bemerken, eben weil es Angewohnheiten sind, die von unserem Unbewussten konstant gehalten werden – diese Angewohnheiten sind wie Fußfesseln, schön lackierte Kettchen und Riemchen,die wir
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