Schatzfinder
Stretching-Übungen, ernährt sich gesund. Und er liest und schreibt täglich vier Stunden, liest pro Jahr 50 Bücher. Und was sagt so jemand wie er? Er sagt beispielsweise: »To have great potential is to be heavily burdened with responsibility.« – Wer über großes Potenzial verfügt, trägt die schwere Last der Verantwortung.
Die Frage ist: Wie trägt man diese Last?
Die Antwort ist: mit Präsenz.
Der beste Weg, den ich kenne, um Freiheit und Verantwortung ganz schlicht im Alltag zu leben, ist der Zustand von Verwirrung, Verwunderung, Wachheit und Bewusstheit – die engste Verbundenheit mit der Gegenwart, die möglich ist. Oder einfach: präsent sein.
Wenn Sie an gestern denken, dann tauchen Sie rückhaltlos ein in die Erinnerungen, in die glücklichen und freudvollen, aber auch in die dunklen und tragischen Momente Ihres Lebens.
Das heißt nicht, dass man immer nur im Hier und Jetzt leben soll. Aber das heißt zumindest für mich, dass Sie die Zeiten nicht vermischen sollten. Wenn Sie an gestern denken, dann tauchen Sie rückhaltlos ein in die Erinnerungen, in die glücklichen und freudvollen, aber auch in die dunklen und tragischen Momente Ihres Lebens. Durchleben Sie die Emotionen, die Ihr Gehirn für jede Zeit der Vergangenheit abgespeichert hat, noch einmal, als ob Sie sie heute fühlen würden. Aber wenn Sie wieder aus der Vergangenheit auftauchen, dann muss es sein wie das Durchbrechen einer Wasseroberfläche, die Rückkehr in einen anderen Aggregatzustand. Sie können den Schatz der Vergangenheit mitbringen, egal ob dunkel oder hell, und sich durch ihn gestärkt und gerüstet fühlen für die Aufgaben der Gegenwart, aber sobald Sie in der Gegenwart sind, muss die Vergangenheit ausgeschaltet sein. Was passiert ist, hat schlicht keine Bedeutung für Ihre Gegenwart. Tauchen Sie auf und trocknen Sie sich ab!
Und wenn Sie an morgen denken, beispielsweise wenn Sie planen, dann heben Sie ab und fliegen in die Zukunft. Verlieren Sie ruhig den Boden unter den Füßen. Kappen Sie die Beschränkungen der Vergangenheit, die Sie an den Grund fesseln wollen. Das ist gar nicht so einfach, aber der einzige Weg, um die schädliche Vermischung der Zeiten zu vermeiden. Spinnen Sie herum und bauen Sie Luftschlösser, entwerfen Sie völlig frei eine Traumwelt und schwelgen Sie darin. Und wenn Sie zurückkehren in die Gegenwart und beide Beine fest auf den Boden setzen, dann mit einem Strahlen im Gesicht.
Außer in diesen Gedankenreisen seien Sie völlig bei dem, was Sie gerade tun. Denken Sie dann nicht gleichzeitig an gestern oder morgen. Yesterday is history, tomorrow a mystery, today is a gift, thats why it’s called the present.
Das klingt alles sehr einfach, aber tatsächlich leben die meisten Menschen ganz anders. Sie spielen beispielsweise nicht mitihren eigenen Kindern, oder wenn sie spielen, dann sind sie nicht bei der Sache, weil sie ständig ans Vorher oder ans Nachher denken. Im Vaterunser heißt es auch »Unser tägliches Brot gib’ uns heute«. Es ist nicht die Rede von dem Brot für morgen oder übermorgen.
»Unser tägliches Brot gib’ uns heute«. Es ist nicht die Rede von dem Brot für morgen.
Abseits der Konventionen
Wenn Sie so leben, werden Sie viele Dinge tun, die man für gewöhnlich nicht tut. So wie William James, einer der Pioniere der Psychologie und Mitbegründer des philosophischen Pragmatismus. Eigentlich hatte er Medizin studiert, aber in einer Sinnkrise, einem seelischen Zusammenbruch, der ihn fast in den Selbstmord getrieben hatte, entdeckte er, dass seine wahren Interessen nicht in der Medizin lagen, sondern in der Philosophie und der Psychologie. Er empfand diese Wendung wie durch das Schicksal vorgegeben. Also tat er, was zu tun ist. Zwar hatte er nie eine Unterweisung in Philosophie bekommen, und seine erste Psychologievorlesung war die, die er in Harvard selbst hielt, und das war nebenbei die erste Psychologievorlesung auf amerikanischem Boden überhaupt, aber das hielt ihn nicht davon ab, einer der einflussreichsten und berühmtesten Philosophen und Psychologen der Neuzeit zu werden und gleich eine ganze Denkschule mitzugründen. Zu seinen Studenten zählten der spätere US-Präsident Theodore Roosevelt, die Schriftstellerin Gertrude Stein und der Journalist und Pulitzer-Preisträger Walter Lippman, um nur einige zu nennen.
Er sagte zum Beispiel: »Mein erster Akt des freien Willens ist, an den freien Willen zu glauben.« Und sein Wille war es, dass in akademischen
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