Schau Dich Nicht Um
vorgefunden.«
»War jemand bei Ihnen?«
»Nein.«
»Also haben wir nur Ihr Wort, daß Ihre Frau wegging und die Kinder sich selbst überließ?«
»Ja.«
»Tja, ich weiß nicht, warum wir Ihnen nicht glauben sollten«, sagte Jess und wappnete sich für den Einspruch, von dem sie wußte, daß er folgen würde.
»Ms. Koster«, mahnte Richter Harris, »könnten wir bitte die sarkastischen Randbemerkungen lassen und bei der Sache bleiben.«
»Entschuldigen Sie, Euer Ehren«, sagte Jess und strich ihren Rock glatt. Sie mußte plötzlich an die neue Unterwäsche denken, die Dons Sekretärin ihr kurz vor Prozeßbeginn gebracht hatte. Die Erinnerung an die Ereignisse des Morgens und des Vortags stürmten auf sie ein. Die Entdeckung von Connie DeVuonos Leiche, der
Einbruch in ihre Wohnung, der Angriff auf ihre Intimsphäre, das alles wirbelte ihr durch den Kopf und befeuerte ihren Zorn, so daß sie beinahe heftig sagte: »Und wie war das an den Abenden des siebzehnten Oktober 1990, des vierzehnten März 1991, des zehnten November 1991, des zwanzigsten Januar 1992?«
»Einspruch, Euer Ehren«, rief Hal Bristol. »Der Zeuge hat über seine Rolle bei diesen häuslichen Streitigkeiten bereits ausgesagt.«
»Abgelehnt. Der Zeuge wird die Frage beantworten.«
»An jedem dieser Abende wurde die Polizei in Ihr Haus gerufen, Mr. Wales«, erinnerte Jess den Angeklagten. »Wissen Sie das noch?«
»Die genauen Daten weiß ich nicht mehr.«
»Und zweimal wurde Ihre Frau bei diesen Gelegenheiten ins Krankenhaus eingewiesen.«
»Ich glaube, wir landeten beide im Krankenhaus.«
»Ja, ich sehe, daß Sie am Abend des zehnten November 1991 im St.-Lukes-Krankenhaus wegen einer blutenden Nase behandelt und dann entlassen wurden. Ihre Frau hingegen blieb bis zum nächsten Morgen. Sie brauchte wohl nur dringend etwas Schlaf.«
»Ms. Koster...«, warnte Richter Harris.
»Tut mir leid, Euer Ehren. Also, Mr. Wales, Sie haben den Geschworenen gesagt, zu den meisten dieser Auseinandersetzungen sei es gekommen, weil Sie provoziert wurden.«
»Das ist richtig.«
»Es braucht wohl nicht viel, um Sie zu provozieren, Mr. Wales?«
»Einspruch.«
»Ich formuliere das um, Euer Ehren. Würden Sie sagen, daß Sie zum Jähzorn neigen, Mr. Wales?«
»Die letzten Jahre waren geschäftlich sehr hart. Das hat natürlich seine Auswirkungen gehabt. Manchmal war ich nicht fähig, mich zu beherrschen.«
»Eher häufig, will mir scheinen. Und auch lange bevor diese harten wirtschaftlichen Zeiten anbrachen. Ich meine, die Jahre 1984
und 85 waren doch geschäftlich gesehen recht gute Jahre, nicht wahr?«
»Geschäftlich gesehen, ja.«
»Ich sehe, daß Sie in diesen Jahren Rekordprovisionen verdient haben, Mr. Wales«, stellte Jess fest und tauschte wiederum ein Blatt Papier gegen ein anderes aus.
»Ich habe sehr hart gearbeitet.«
»Davon bin ich überzeugt. Und Sie wurden reichlich belohnt dafür. Dennoch geht aus den Polizeiunterlagen hervor, daß Sie Ihre Frau geschlagen haben. Es scheint also so, daß der Grad Ihrer Selbstbeherrschung mit Ihrem geschäftlichen Erfolg eigentlich nichts zu tun hatte. Würden Sie mir da nicht zustimmen?«
Terry Wales brauchte ein paar Sekunden, ehe er antwortete. »Ganz gleich, wieviel ich geschafft habe, Nina war es nie genug. Sie hat sich dauernd beschwert, daß ich nicht genug verdiene, auch schon vor der Rezession. Die letzten Jahre waren die Hölle.«
»Ihr Einkommen ist wesentlich gesunken?«
»Ja.«
»Und Ihre Frau war unzufrieden darüber, daß weniger Geld hereinkam?«
»Sehr sogar.«
»Ich verstehe. Wie hat sich denn die Einkommensverminderung genau auf den Haushalt ausgewirkt, Mr. Wales?«
»Nun, genauso wie bei allen anderen Leuten, nehme ich an«, antwortete Terry Wales vorsichtig und warf einen Blick auf seinen Anwalt. »Wir mußten uns einschränken - bei den Einladungen, beim Ausgehen, beim Kleiderkauf und ähnlichen Dingen.«
»Das heißt, vor allem mußte Ihre Frau sparen«, stellte Jess fest.
»Wir mußten alle sparen.«
»Inwiefern mußten Sie denn sparen, Mr. Wales?«
»Ich verstehe nicht.«
»Einspruch. Der Zeuge hat die Frage bereits beantwortet.«
»Kommen Sie zum Kernpunkt, Ms. Koster«, mahnte Richter Harris.
»Sie waren der Alleinversorger Ihrer Familie, nicht wahr? Ich meine, Sie haben uns ja zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Ihre Frau diejenige war, die unbedingt ihre Arbeit aufgeben wollte.«
»Sie wollte zu Hause bei den Kindern bleiben. Ich habe diese
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