Schau Dich Nicht Um
besten, wenn du nicht wiederkommst.«
Einen Moment lang dachte sie, er würde sich vielleicht herumdrehen,
sie in die Arme nehmen, ein Geständnis ablegen. Aber er tat es nicht, und Sekunden später war er fort, und sie stand allein in einem Raum voll von Gespenstern und Schatten.
21
A m Ende der Woche ging der gerichtsmedizinische Bericht über Connie DeVuono ein, und die Geschworenen im Mordprozeß Wales zogen sich zur Beratung zurück.
Connie DeVuono war zuerst vergewaltigt worden, dann geschlagen und mit einem Stück dünnem Magnetdraht erdrosselt worden. Der Draht hatte ihre Halsschlagader durchschnitten und beinahe ihren Kopf von ihrem Rumpf getrennt. Untersuchungen hatten ergeben, daß der Draht, mit dem der Tod herbeigeführt worden war, mit einer Art von Draht identisch war, der in der Fabrik, in der Rick Ferguson arbeitete, Verwendung fand. Daraufhin war Haftbefehl gegen Rick Ferguson erlassen worden.
»Was meinst du, wie lange die Geschworenen brauchen werden?« fragte Barbara Cohen, als das Telefon auf Jess’ Schreibtisch läutete.
»Du solltest inzwischen wissen, daß so eine Frage absolut sinnlos ist«, antwortete Jess, während sie nach dem Hörer griff. »Vielleicht Stunden, vielleicht Tage.«
Barbara Cohen sah auf ihre Uhr. »Es sind jetzt schon mehr als vierundzwanzig Stunden.«
Jess zuckte die Achseln. Sie war so ungeduldig wie ihre Assistentin, aber sie wollte es nicht zugeben. Sie hob den Hörer ab und drückte ihn an ihr Ohr. »Jess Koster.«
»Er ist verschwunden«, sagte Don anstelle einer Begrüßung.
Jess fühlte, wie ihr Magen sich zusammenkrampfte. Sie brauchte nicht zu fragen, von wem Don sprach. »Wann?«
»Wahrscheinlich irgendwann in der Nacht. Mein Mann hat mich gerade angerufen. Er hat das Haus die ganze Nacht beobachtet, und als er Ferguson heute morgen nicht zur gewohnten Zeit zur Arbeit weggehen sah, wurde er argwöhnisch. Er wartete noch eine Zeitlang, dann hat er ein bißchen herumgeschnüffelt. Er konnte Fergusons Mutter im Bett liegen sehen, entweder im Schlaf oder im Suff; Ferguson selbst war nirgends zu sehen. Daraufhin hat er im Lagerhaus angerufen und hörte, daß Ferguson tatsächlich nicht zur Arbeit gekommen war. Es scheint, er hat gemerkt, daß er überwacht wird, und sich gedacht, daß die Polizei ihn binnen kurzem verhaften wird. Daraufhin ist er, solange es noch dunkel war, durch eines der Hinterfenster getürmt.«
»Das Ironische ist, daß die Polizei ihn tatsächlich verhaften will«, sagte Jess. »Wir haben heute morgen einen Haftbefehl erlassen.«
Dons Ton wurde augenblicklich geschäftsmäßig. Er war nicht länger der besorgte Ex-Ehemann, sondern nur noch der sachliche Anwalt, der die Rechte seines Mandanten im Auge hat. »Was habt ihr gegen ihn?« fragte er.
»Der Draht, mit dem Connie DeVuono erdrosselt wurde, wird auch in dem Lagerhaus verwendet, wo Rick Ferguson arbeitet.«
»Und sonst?«
»Was brauch ich sonst noch?«
»Auf jeden Fall mehr als das.«
»Aber nicht, um ihn zu verhaften.«
»Fingerabdrücke?«
»Nein«, mußte Jess zugeben.
»Also nichts als ein läppisches Stück Draht?«
»Aber es hat ausgereicht, Connie DeVuono zu töten«, sagte Jess. »Und es wird ausreichen, deinen Mandanten zu verurteilen.«
Es entstand eine kleine Pause. »Okay, Jess, ich möchte da jetzt nicht weiter einsteigen. Wir können uns über die Beweise gegen meinen Mandanten unterhalten, sobald die Polizei ihn gefaßt hat.
Unterdessen hab ich meinen Mann beauftragt, ein Auge auf dich zu haben.«
»Was? Don, ich hab dir doch gesagt, daß ich keinen Babysitter haben will.«
»Aber ich will es«, insistierte Don. »Laß mich doch, Jess. Nur ein oder zwei Tage. Das bringt dich doch nicht um.«
»Aber Rick Ferguson könnte mich vielleicht umbringen?«
Sie hörte, wie er seufzte. »Du wirst nicht mal merken, daß du überwacht wirst.«
»Rick Ferguson hat es aber gemerkt.«
»Tu’s mir zuliebe, ja?«
»Hast du eine Ahnung, wo dein Mandant sein könnte?«
»Nein.«
»Ich muß jetzt Schluß machen«, sagte Jess, die bereits daran dachte, was sie der Polizei sagen würde.
»Die Geschworenen im Armbrust-Prozeß beraten sich wohl noch?«
»Seit mehr als vierundzwanzig Stunden schon.«
»Ich hab gehört, dein Schlußplädoyer war ein Klassiker.«
»Geschworene sind, wie allgemein bekannt, für Klassiker völlig unempfänglich«, sagte Jess, die es jetzt eilig hatte, vom Telefon wegzukommen.
»Ich ruf dich später an.«
Jess legte auf, ohne
Weitere Kostenlose Bücher